Haufe Redaktion, Hans-Albert Wegner †
§ 836 BGB gewährt demjenigen, der durch den Einsturz eines Gebäudes oder eines anderen mit einem Grundstück verbundenen Werks oder durch das Ablösen von Teilen davon (etwa herabfallende Dachziegel) Schaden erleidet, einen Ersatzanspruch.
§ 908 BGB gibt dem Eigentümer, für dessen Grundstück dadurch Gefahren drohen, einen Anspruch darauf, dass der verantwortliche Nachbar schon vorbeugend Schutzmaßnahmen ergreift, um es gar nicht erst zu einem Schaden kommen zu lassen.
Die drohende Gefahr muss auf dem schlechten Zustand des Gebäudes oder Werks beruhen, der die Folge fehlerhafter Errichtung oder mangelhafter Unterhaltung sein kann, aber nicht sein muss. Denn nach allgemeiner Meinung ist die Ursache für den schlechten Zustand unerheblich, weil § 908 BGB kein Verschulden verlangt.
3.1 Zum Begriff des Werks im Sinn des § 908 BGB
Während der Begriff des Gebäudes aus sich heraus verständlich ist (räumlich umfriedetes Bauwerk, in dem sich Personen aufhalten oder Sachen untergebracht werden können), bedarf der Begriff des Werks einer Erläuterung.
Unter den Begriff "Werk" fallen etwa Mauern, Zäune, Dämme, Kanäle, Wasserleitungen, Baugerüste, Öltanks oder Masten einer Stromleitung.
Wie den Anlagen in § 907 BGB ist diesen Beispielen gemeinsam, dass sie von Menschenhand geschaffen sind und eine feste Verbindung mit dem Grundstück haben, auf dem sie sich befinden.
3.1.1 Baukran
Wegen seiner festen Verbindung mit dem Grundstück ist deshalb auch ein auf Schienen laufender Turmdrehkran, der bei Bauarbeiten eingesetzt wird, ein sonstiges Werk im Sinn des § 908 BGB. Ein derartiger Baukran befindet sich dann in einem schlechten Zustand, wenn er nicht so aufgestellt und sein Ausleger nicht so eingestellt ist, dass er einer Windstärke 12 standhält.
3.1.2 Natürliche Zustände
Andererseits zählen nicht zu den sonstigen Werken natürliche Zustände eines Grundstücks, wie Felsblöcke, die auf ein anderes Grundstück zu fallen drohen, weil sie nicht von Menschenhand geschaffen sind (vgl. Kap. 2.1). Das Gleiche gilt auch für Eis- und Schneemassen, die sich auf einem Hausdach befinden.
3.2 Anspruchsinhalt
Der Anspruch geht dahin, dass die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen, also die notwendigen Reparatur- und Sicherungsmaßnahmen vorgenommen werden. Ein Anspruch auf bestimmte Maßnahmen besteht nicht. Es ist Sache des Verpflichteten, die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen.
Zu den Maßnahmen verpflichtet ist derjenige, der nach § 836 BGB für den Schaden verantwortlich sein würde. Das kann auch der Grundstücksbesitzer (Mieter oder Pächter) sein, auf dessen Grundstück das einsturzgefährdete Gebäude oder Werk steht.
Droht die Gefahr eines Einsturzes nicht wegen des schlechten baulichen Zustands eines Gebäudes, sondern deshalb, weil das Gebäude planmäßig abgerissen wird, ohne die dabei notwendige Sorgfalt zu beachten, kommt § 908 BGB ebenso wenig zur Anwendung, wie eine Haftung des Grundstücksbesitzers aus § 836 BGB. Das wird von der Rechtsprechung damit begründet, dass dann, wenn ein Abbruchunternehmer damit beginnt, ein Gebäude (oder einen Gebäudeteil) niederzureißen, abzutragen oder auf andere Weise zu beseitigen, er mit seinen Arbeitern, seinen Maschinen und Werkzeugen in den Gefahrenbereich eindringt, für den bisher der Besitzer des Gebäudes verantwortlich war. Damit schafft er neue, von dem Besitzer nicht, allenfalls beschränkt beherrschbare Gefahren. Der Unternehmer ist deshalb seinerseits verpflichtet, sich vor Beginn seiner Arbeiten und auch noch während ihrer Ausführung ständig zu vergewissern, ob er die Arbeiten gefahrlos durchführen kann. Bei einer derartigen Gestaltung sind die Risikobereiche anders verteilt, als sie dem Bild des § 836 BGB entsprechen. Für einen von ihm schuldhaft verursachten Schaden haftet der Unternehmer nach § 823 BGB.
3.3 Recht zur Selbsthilfe
Zur Selbsthilfe ist der durch gefährliche bauliche Zustände bedrohte Nachbar unter den Voraussetzungen des § 228 BGB berechtigt. Er handelt, wenn er die erforderlichen Maßnahmen selbst trifft und dabei in fremdes Eigentum eingreift, insoweit nicht rechtswidrig, als die Maßnahme nach § 677 BGB (Geschäftsführung ohne Auftrag) dem Interesse des Verpflichteten entsprechen. In diesen Fällen kann er Erstattung der erforderlichen Aufwendungen vom Verpflichteten nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag verlangen.