Haufe Redaktion, Hans-Albert Wegner †
Zusammenfassung
Jeder Nachbar ist aufgrund des Nachbarschaftsverhältnisses verpflichtet, Einwirkungen in gewissem Umfang hinzunehmen. Die Grenze zwischen noch hinzunehmenden und nicht mehr zu tolerierenden Einwirkungen ist im privaten Nachbarrecht § 906 BGB zu entnehmen. In dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber u.a. die Gerüche als Einwirkungen aufgezählt.
Die nachfolgende Darstellung beschränkt sich auf die sog. zwischenmenschlichen Störfaktoren, die ihre Ursache nicht in industriell-gewerblichen oder vergleichbaren Anlagen haben, sondern die durch menschliche Verhaltensweise bedingt sind.
1 Nachbarschutz
Möchte man sich mit Hilfe des Zivilrechts gegen Geruchsbelästigungen aus der Nachbarschaft zur Wehr setzen, kommt es zunächst auf die Rechtsposition an, in der man sich befindet. Je nach dem, ob man Mieter, Wohnungseigentümer oder Hauseigentümer ist, hält das Gesetz unterschiedliche Schutzvorschriften bereit.
1.1 Mieter
Ist ein Mieter Belästigungen aus der Nachbarschaft ausgesetzt – seien es solche aus Nachbarwohnungen des gleichen Hauses oder solchen, die von außen einwirken – besteht die Möglichkeit, zweigleisig vorzugehen.
- Zum einen kann durch eine Mietminderung versucht werden, den Vermieter dazu zu zwingen, etwas gegen die Belästigungsquelle zu unternehmen.
- Geht es nicht um mietvertragliche Regelungen, sondern um Streitigkeiten der Mieter untereinander oder um Belästigungen, denen ein Mieter durch belästigende Tätigkeiten auf einem benachbarten Grundstück ausgesetzt ist, kann er sich mit Hilfe des § 862 Abs. 1 BGB zur Wehr setzen. Diese Vorschrift lautet: "Wird der Besitzer durch verbotene Eigenmacht im Besitze gestört, so kann er von dem Störer die Beseitigung der Störung verlangen. Sind weitere Störungen zu besorgen, so kann der Besitzer auf Unterlassung klagen."
Inwieweit der Abwehranspruch ausgeschlossen ist, weil eine Pflicht zur Duldung besteht, ist nachfolgend in Kap. 1.4 erläutert.
1.2 Wohnungseigentümer
Auch Wohnungseigentümer können nicht so frei schalten und walten, wie sie wollen. Zwar kann jeder Wohnungseigentümer nach § 13 Abs. 1 WEG mit den in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen nach Belieben verfahren. Dieser Grundsatz wird aber mit Rücksicht auf das notwendige Zusammenleben in einer Hausgemeinschaft dadurch eingeschränkt, dass wiederum jeder Wohnungseigentümer
- nach § 14 Abs. 1 WEG gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verpflichtet ist, gesetzliche Regelungen, Vereinbarungen und Beschlüsse einzuhalten (Nr. 1) und das Betreten seines Sondereigentums und andere Einwirkungen auf dieses und das gemeinschaftliche Eigentum zu dulden, (...) aus denen ihm über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus kein Nachteil erwächst (Nr. 2) und
- nach § 14 Abs. 2 WEG gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern verpflichtet ist, deren Sondereigentum nicht über das in Abs. 1 Nr. 2 bestimmte Maß hinaus zu beeinträchtigen und Einwirkungen nach Maßgabe des Abs. 1 Nr. 2 zu dulden.
Individualanspruch eines Wohnungseigentümers
§ 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG enthält eine "Wohlverhaltensklausel" bzw. die "Goldene Regel" des Wohnungseigentumsrechts, wonach kein Wohnungseigentümer das Sondereigentum eines anderen Wohnungseigentümers über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigen darf. Wird ein Wohnungseigentümer konkret in seinem Sondereigentum durch Lärm eines anderen Wohnungseigentümers gestört, hat er einen Unterlassungsanspruch nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG sowie § 1004 BGB gegen den störenden Wohnungseigentümer.
Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
Durch Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer können z. B. in der Hausordnung allgemein verbindliche Regelungen getroffen werden. Hält sich ein Wohnungseigentümer nicht an diese Regeln, verstößt er gegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG. Diesen Verstoß ahndet die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (§ 9a Abs. 2 WEG).
Inwieweit Abwehransprüche ausgeschlossen sind, weil eine Pflicht zur Duldung besteht, ist nachfolgend in Kap. 1.4 erläutert.
1.3 Hauseigentümer
Hauseigentümer können sich gegen störende Einwirkungen aus der Nachbarschaft mit Hilfe des § 1004 Abs. 1 BGB zur Wehr setzen. Inwieweit der Abwehranspruch ausgeschlossen ist, weil eine Pflicht zur Duldung besteht, wird nachfolgend in Kap. 1.4 erläutert.
1.4 Pflicht zur Duldung von störenden Einwirkungen aus der Nachbarschaft
Die Ansprüche aus § 1004 Abs. 1 BGB (Grundeigentum) und § 862 Abs. 1 BGB (Grundbesitz) sind ausgeschlossen, wenn eine Pflicht zur Duldung der Einwirkungen besteht.
- Für den Eigentümer legt dies § 1004 Abs. 2 BGB ausdrücklich fest.
- Für den Besitzer gilt nach allgemeiner Meinung trotz fehlender gesetzlicher Regelung dasselbe, weil die Rechte des Besitzers nicht weitergehen können, als die des Eigentümers.
Rechtsgrundlage für die Duldungspflicht bei zivilrechtlichen Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen ist § 906 BGB. Diese Vorschrift lautet in dem hier interessierenden Zusammenhang wie folgt:
Zitat
Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Geräuschen und ähnliche von einem andere...