Leitsatz (amtlich)
1. Sofern ein Ausländer bei einer Ausländerbehörde oder bei der Polizei ein Asylgesuch angebracht hat, aber einer Weiterleitungsanordnung einer dieser Stellen nach § 19 Abs. 1 AsylVfG nicht Folge leistet und bei der Außenstelle des Bundesamtes keinen Asylantrag stellt, bleibt – wie auch sonst bei einem abgelehnten Asylbewerber – eine räumliche Beschränkung des Aufenthalts des Ausländers auf den Bezirk der Ausländerbehörde, in dem die für die Aufnahme zugewiesene Aufnahmeeinrichtung liegt, auch nach Erlöschen der Aufenthaltserhaltsgestattung bestehen.
2. Die sich aus § 56 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG ergebende räumliche Beschränkung des Aufenthalts eines Kindes auf den Bezirk der Ausländerbehörde, in dem es sich aufhält, wird nicht schon allein dadurch hinfällig, dass seine Eltern bzw. ein Elternteil später ein Asylgesuch anbringt oder einen Asylantrag stellt. Das gilt auch, sofern der Antrag nach § 14 a Abs. 1 AsylVfG für weitere Kinder des Ausländers als gestellt gilt.
3. Soweit durch ein Asylgesuch nach § 19 Abs. 1 AsylVfG und eine bereits davor erfolgte Asylantragstellung nach § 14 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG unterschiedliche räumliche Beschränkungen für den Ausländer und ein lediges Kind begründet werden, ist im Fall der Führung einer familiären Lebensgemeinschaft die Familieneinheit ggf. durch eine länderübergreifende Verteilungsentscheidung nach § 51 Abs. 1 AsylVfG zu gewährleisten.
Verfahrensgang
VG Hamburg (Beschluss vom 23.06.2005) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 23. Juni 2005 geändert.
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragsteller bis zur Bekanntgabe einer Entscheidung über eine länderübergreifende Verteilung nach § 51 AsylVfG zu dulden und ihnen hierüber eine Bescheinigung nach § 60 a Abs. 4 AufenthG zu erteilen.
Im Übrigen wird die Beschwerde der Antragsteller zurückgewiesen.
Die Antragsteller und die Antragsgegnerin tragen die Kosten des gesamten Verfahrens je zur Hälfte. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.
Tatbestand
I. Die aus Guinea stammende Antragstellerin zu 1) – im Folgenden Antragstellerin – und ihre im Bundesgebiet geborenen Söhne – die Antragsteller zu 2) und zu 3) – begehren im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihnen Duldungsbescheinigungen auszustellen.
Die Antragstellerin ist im August 2001 ohne Sichtvermerk eingereist. Nach bestandskräftiger Ausweisung hat die Antragsgegnerin ihr und ihren im Oktober 2001 und Mai 2003 geborenen Kindern wegen fehlender Ausweispapiere jeweils befristete Duldungsbescheinigungen erteilt. Für den Antragsteller zu 2), der aufgrund einer Rötelnembryopathie mehrfach behindert und in ständiger ärztlicher Behandlung ist, hat die Antragstellerin unter dem 13. April 2005 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einen Asylantrag gestellt. Diesen Antrag hat das Bundesamt im Lauf des Beschwerdeverfahrens mit Bescheid vom 29. Juni 2005 abgelehnt und darin zugleich festgestellt, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Guinea vorliegt. Bei der Anhörung zu diesem Asylantrag hatte die Antragstellerin u. a. angegeben, der Asylantrag werde zunächst nur für ihren Sohn, den Antragsteller zu 2), gestellt. Sie selbst werde später „weitersehen”.
Nach Vorladung erklärte die Antragstellerin bei der Ausländerbehörde der Antragsgegnerin am 25. April 2005 sodann u. a., auch sie stelle einen Asylantrag. In ihrem Heimatstaat habe man sie zur Hochzeit mit dem Vater ihres ältesten Kindes, des Antragstellers zu 2), zwingen wollen. Dieser sei politisch aktiv und dessen dritte Frau sei von politischen Gegnern ermordet worden.
Die Antragsgegnerin zog daraufhin die Duldungsbescheinigung ein und händigte der Antragstellerin statt dessen eine „Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchende” aus, in der auch die Antragsteller zu 2) und 3) aufgeführt sind. Zugleich wurden die Antragsteller aufgefordert, sich unverzüglich, spätestens bis zum 27. April 2005, bei der für sie zuständigen Aufnahmeeinrichtung in Düsseldorf zu melden. Des weiteren wies die Antragsgegnerin die Antragsteller (gegen Empfangsbekenntnis) auf die gesetzlichen Folgen der Nichtbefolgung der Meldeauflage hin.
Die Antragstellerin hat nach Rücksprache mit ihrem Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 13. Juni 2005 gegenüber der Antragsgegnerin ihr Asylgesuch vom 25. April 2005 zurückgenommen: Für die „Anhörung” am selben Tag habe keine Veranlassung bestanden. Die Antragsgegnerin habe sie gedrängt, das Asylgesuch anzubringen, um sie nach Düsseldorf umverteilen zu können. Zugleich haben die Antragsteller beim Verwaltungsgericht beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin und dem Antragsteller zu 3) weiterhin Duldungsbescheinigungen und dem Antragsteller zu 2) eine Aufenthaltsgestattung auszustellen: Die Antr...