Verfahrensgang
GStA Berlin (Aktenzeichen WiV 13/00) |
LG Berlin (Aktenzeichen WiL 7/00) |
Tenor
Auf die Berufung des Wirtschaftsprüfers wird das Urteil des LG Berlin – Kammer für Wirtschaftsprüfersachen – vom 29.9.2000 aufgehoben.
Der Wirtschaftsprüfer wird freigesprochen.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Wirtschaftsprüfers trägt die Wirtschaftsprüferkammer.
Gründe
Das LG hat gegen den Wirtschaftsprüfer wegen Verstoßes gegen seine Berufspflichten (Pflicht zu berufswürdigem Verhalten und Sachlichkeitsgebot nach § 43 Abs. 2 WPO, § 13 Abs. 1 Berufssatzung WPK) einen Verweis und eine Geldbuße i.H.v. 5.000 DM verhängt. Gegen dieses Urteil hat der Wirtschaftsprüfer rechtzeitig unbeschränkte Berufung mit dem Ziel seines Freispruchs eingelegt.
Die Berufung hat Erfolg.
Die erneute Hauptverhandlung hat Folgendes ergeben:
I. Der Betroffene, der seit 1978 als Wirtschaftsprüfer öffentlich bestellt ist und seitdem ständig in eigener Praxis oder als Geschäftsführer, bzw. Vorstandsmitglied verschiedener Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften tätig ist, ist seit 1989 Vorstandsmitglied der … Wirtschaftsprüfungsgesellschaft-Steuerberatungsgesellschaft mit Sitz in S., deren Geschäftsbriefbögen der Betroffene auch regelmäßig in von ihm privat geführten Briefverkehr verwendet. Seit längerem sieht der Betroffene im Berufsstand der Wirtschaftsprüfer Entwicklungen, die nach seiner Auffassung einen „Verfall der guten Sitten” darstellen, insb. im Tätigkeitsbereich großer Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und deren nach seiner Auffassung mitursächlichen Funktion bei verschiedenen Unternehmenszusammenbrüchen.
Sein Interesse fanden daher auch die Vorgänge im Zusammenhang mit dem Zusammenschluss der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank AG und der Bayerischen Vereinsbank AG zur Bayerischen Hypo- und Vereinsbank AG, die er symptomatisch für ähnliche Entwicklungen bei anderen Großunternehmen hielt, bei denen nach seiner Auffassung große Wirtschaftsprüfungsgesellschaften es bei Ausübung ihrer Tätigkeit aufgrund mangelnder Unabhängigkeit an der erforderlichen Objektivität und Unparteilichkeit bei Durchführung der ihnen obliegenden Kontrollen fehlen ließen. Um seine Auffassungen über den Konflikt um die genannte Bank einbringen zu können und auf deren Hauptverhandlung Rederecht zu haben, kaufte der Betroffene Aktien des Unternehmens. Außerdem wurde in Abstimmung mit ihm die … Vermögensverwaltungsgesellschaft gegründet, die gleichfalls Aktienpakete der Bank hielt und deren Geschäftsführer der Sohn des Betroffenen war. Die Gesellschaftsform wurde dabei gewählt, um bei einem möglichen Rechtsstreit klageberechtigt zu sein. An der Hauptversammlung der Bank am 6.5.1999 nahm der Betroffene teil, führte Gespräche mit vielen Kleinaktionären und meldete sich zu dem besonders strittigen Thema zu Wort, ob die X.-Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zum Abschlussprüfer der Bank für das Geschäftsjahr 1999 bestellt werden durfte. Die Hauptversammlung wählte schließlich die X. zur Abschlussprüferin. Im Anschluss an die Hauptversammlung wurde eine Klage beim LG München I eingereicht, die u.a. die Feststellung der Nichtigkeit der Bestellung der X. zur Abschlussprüferin zum Ziel hatte. Eine der klagenden Parteien war die M.-GmbH Vermögensgesellschaft. Über den sich anschließenden Gang des Gerichtsverfahrens wurde der Betroffene nicht nur von seinem Sohn, sondern auch von den die Gesellschaft vertretenden Rechtsanwälten informiert, die zum Teil auch ihr Prozessverhalten mit dem Betroffenen abstimmten.
Im Zusammenhang mit dem Verfahren wurde von Prof. Dr. E., Ordinarius für Bürgerliches Recht, Wirtschafts- und Steuerrecht sowie internationales Privatrecht an der Universität …, im Auftrag der X. ein Rechtsgutachten zur Zulässigkeit und Begründetheit der erhobenen Klagen wegen Anfechtung und Nichtigkeit des Beschlusses der Hauptversammlung der Bank über die Wahl der X. zur gesetzlichen Abschlussprüferin der Bank erstattet, das von der X. die in dem Prozess der beklagten Bank als Nebenintervenientin beigetreten war, als Parteigutachten in den Prozess eingeführt wurde. Mit Urteil vom 21.10.1999 wies die Kammer für Handelssachen des LG München I unter dem Vorsitz des VorsRiLG P. die erhobenen Klagen ab und legte den beiden Klägerinnen gesamtschuldnerisch die Hälfte der Kosten des Rechtsstreits sowie die vollen Kosten der Nebenintervenientin auf, die weitere Hälfte der Kosten allein der M. GmbH.
Der Streitwert wurde auf 500.000 DM festgesetzt.
II. Im Laufe des Verfahrens und nach dessen Abschluss richtete der Betroffene am 8.10. und 14.10.1999 Schreiben an den Sachverständigen Dr. E. und am 15. und 25.10.1999 an den VorsRi P. Das Schreiben an den Sachverständigen vom 8.10.1999 war handschriftlich auf einer Fotokopie der ersten Seite des von diesem erstatteten Gutachtens verfasst, während die übrigen Schreiben jeweils auf den Briefbögen der W. AG maschinenschriftlich gefertigt waren und unter dem Text „Mit freundlichen Grüßen, W. AG Wirtschafts...