Leitsatz (amtlich)
Vereinbarkeit des § 1615l Abs. 2 S. 3 BGB mit Art. 6 Abs. 5 GG Aussetzung und Vorlage an das BVerfG gem. Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG
Verfahrensgang
AG Berlin-Pankow/Weißensee (Aktenzeichen 14 F 3497/03) |
Tenor
Das Verfahren wird ausgesetzt.
Es ist die Entscheidung des BVerfG darüber einzuholen, ob § 1615l Abs. 2 S. 3 BGB mit dem Grundgesetz unvereinbar ist, Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG.
Gründe
Die nicht miteinander verheirateten Parteien, die niemals zusammen gelebt haben, sind die Eltern des am 31.3.2002 geborenen V. E., der von der Klägerin aufgezogen wird. Die Klägerin macht gegen den Beklagten einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt (§ 1615l Abs. 2 S. 2 BGB) für die Zeit ab dem 1.5.2003 geltend. Bis zu ihrer Kündigung zum 30.11.2000 war die Klägerin als Stagemanagerin tätig. In der Zeit vom 1.12.2000 bis zum 31.1.2002 bezog sie Arbeitslosengeld bzw. -hilfe. Vom 1.2.2002 bis zum 30.4.2003 erhielt sie aus einem mit einer GbR, an der der Beklagte beteiligt ist, geschlossenen Scheinarbeitsvertrag ein Gehalt von monatlich rund 1.545 Euro netto.
Das AG hat den Beklagten zur Entrichtung einer monatlichen Unterhaltsrente von 463,70 Euro für die Zeit vom 1.5.2003 bis zum 31.3.2005, dem dritten Geburtstag des Kindes, verurteilt. Gegen dieses Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, richtet sich die zulässige Berufung der Klägerin. Die Klägerin, die seit November 2003 eine selbständige Tätigkeit als Heilpraktikerin ausübt, verlangt eine zeitlich unbefristete Unterhaltsrente von monatlich 1.548,98 Euro abzgl. eigener monatlicher Einkünfte ab Mai 2003.
Der Klägerin steht eine Unterhaltsrente dem Grunde nach zu. Auf die Beschlüsse des Senats vom 10.6.2004 (Bl. 163) und vom 30.9.2004, durch die der Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung zur Zahlung einer Unterhaltsrente von 376,30 Euro bzw. von 840 Euro verpflichtet worden ist, wird Bezug genommen. Für das Berufungsverfahren ist entscheidungserheblich, ob die zeitliche Begrenzung des Betreuungsunterhaltsanspruchs auf drei Jahre nach der Geburt des Kindes (§ 1615l Abs. 3 S. 3 BGB) mit Art. 6 Abs. 5 GG unvereinbar und der Klägerin daher ein zeitlich unbefristeter Anspruch auf Betreuungsunterhalt zusteht.
Ein Teil der Rechtsprechung und des Schrifttums ist unter Bezugnahme auf die Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates (BT-Drucks. 13/4899, 167) der Auffassung, dass es sich bei dem Anspruch aus § 1615l BGB um einen solchen der Mutter, nicht des Kindes handelt und dass das Kind keinen Anspruch auf Betreuung durch seine Mutter hat. Deshalb seien seine Interessen nur mittelbar berührt. Der Grundsatz der nachehelichen Solidarität rechtfertige es, den Anspruch der Ehefrau stärker als den einer nichtehelichen Partnerin auszugestalten. Der Umfang und die Dauer des nachehelichen Unterhaltsanspruchs aus § 1570 BGB seien - zumal in der Ausprägung, die sie durch die Rechtsprechung erfahren hätten - nur durch die vorangegangene Ehe zu erklären, also wesentlich durch den Gesichtspunkt der nachehelichen Solidarität geprägt. Vor diesem Hintergrund sei die zeitliche Begrenzung auf grundsätzlich drei Jahre mit der Möglichkeit einer Verlängerung aus Billigkeitsgründen verfassungsgemäß (OLG Schleswig v. 29.12.2003 - 15 UF 198/02, FamRZ 2004, 975; OLG Karlsruhe v. 4.9.2003 - 2 UF 6/03, OLGReport Karlsruhe 2004, 107 = FamRZ 2004, 974; Wever/Schilling, FamRZ 2002, 581 [583]; Maurer, FamRefK § 1516l Rz. 20; Göppinger/Wax/Maurer, 8. Aufl., Rz. 1211).
Nach anderer Ansicht fordert die Gleichbehandlung von ehelichen und nichtehelichen Kindern, dass auch nichteheliche Kinder bis zum Alter von acht Jahren persönlich betreut werden können, wenn der Betreuende dies wünscht. Da Ausgangspunkt des Unterhaltsanspruchs der Mutter die Betreuungsbedürftigkeit des Kindes und damit dessen Wohl sei, könne die Absicherung des Kindes nicht unterschiedlich ausfallen, je nach dem, ob die Mutter mit dem Vater des Kindes verheiratet war oder nicht (Kalthoener/Büttner/Niepmann, 8. Aufl., Rz. 184; Peschel/Gutzeit/Jenckel, FuR 1996, 136 ff.; Puls, FamRZ 1998, 865 [868]; Müller, DAVorm 2000, 830 ff.; Schwab/Borth, 4. Aufl., Teil IV Rz. 1371; Born in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1615l Rz. 6).
Dieser letzteren Auffassung möchte sich der erkennende Senat anschließen. § 1570 BGB bezweckt, die persönliche Betreuung des Kindes trotz Trennung der Eltern wenigstens durch einen Elternteil zu ermöglichen. Es entspricht dem Wohl eines Kindes, wenn es sich nach der Trennung und Scheidung seiner Eltern in der Obhut eines Elternteils befindet, der hinreichend Zeit hat, auf seine Fragen, Wünsche und Nöte einzugehen (BVerfG FamRZ 1981, 745 [749 ff.]). Die Norm dient somit vorrangig dem Wohl des Kindes. Trotz der Ausgestaltung des Anspruchs als Anspruch eines geschiedenen Ehegatten geht es der Sache nach mehr um die Deckung eines Bedarfs des Kindes als um das Recht des Betreuenden auf die volle oder teilweise Freistellung von einer Erwerbstätigkeit (Johannsen/Henrich/Bütt...