Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 17.06.2011; Aktenzeichen (564) 14 Js 1650/09 Ns (57/09)) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 17. Juni 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts Berlin zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin verurteilte den Angeklagten wegen (gemeinschaftlichen) Wohnungseinbruchdiebstahls zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten und setzte deren Vollstreckung zur Bewährung aus. Die dagegen rechtzeitig eingelegte Berufung verwarf das Landgericht Berlin durch Urteil vom 17. Juni 2011 kostenpflichtig nach § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO, weil der Angeklagte ungeachtet der erfolgten und nachgewiesenen öffentlichen Zustellung der Ladung unentschuldigt ausgeblieben sei.
Mit seiner rechtzeitig eingelegten und begründeten Revision gegen dieses Urteil erhebt der Angeklagte Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Die zulässige Revision dringt mit der erhobenen Verfahrensrüge, der Angeklagte sei zu der Berufungshauptverhandlung am 17. Juni 2011 nicht ordnungsgemäß geladen worden und deshalb habe kein Verwerfungsurteil ergehen dürfen, durch.
Eine öffentliche Zustellung nach § 40 StPO ist nur zulässig, wenn eine Zustellung in der vorgeschriebenen Weise im Inland nicht bewirkt werden kann oder die Befolgung der für Zustellungen im Ausland bestehenden Vorschriften unausführbar oder voraussichtlich erfolglos ist. Daran fehlt es hier Die Zustellung der Ladung zu Händen des Verteidigers war möglich und geboten.
Kann die Zustellung an den Verteidiger nach § 145a Abs. 2 StPO oder einen Zustellungsbevollmächtigten bewirkt werden, ist eine öffentliche Zustellung unzulässig (vgl. Meyer-Goßner, StPO 54. Aufl., § 40 Rdn. 3, 5).
Im vorliegenden Fall hat der Verurteilte in dem der Hauptverhandlung unmittelbar vorausgehenden Haftprüfungstermin am 2. Juni 2009 ausdrücklich erklärt, daß er seinen Wahlverteidiger als Zustellungs- und Ladungsbevollmächtigten benenne. Sein Verteidiger hat diese Benennung angenommen. Diese neben der vorliegenden rechtsgeschäftlichen Vollmacht erteilte und über sie hinausgehende Zustellungs- und Ladungsbevollmächtigung diente dazu, die Durchführung des Verfahrens gegen den Angeklagten, der über keinen festen Wohnsitz in Deutschland verfügt, sicherzustellen. Die ausdrückliche Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten hat unabhängig davon, ob der Verurteilte zur Erteilung verpflichtet war - wie in § 116a StPO -oder die Erteilung dieser Bevollmächtigung wie in § 132 Abs. 1 StPO gerichtlich angeordnet ist, zur Folge, daß alle für den Angeklagten bestimmten Zustellungen und Ladungen an diesen bewirkt werden können.
Durch seinen später gestellten Antrag auf Bestellung als Pflichtverteidiger hat der Rechtsanwalt konkludent sein Mandat niedergelegt (vgl. Meyer-Goßner, aaO., § 142 Rdn. 6 mit weit. Nachw.). Dadurch erlosch zwar seine allgemeine Straf-prozeßvollmacht, nicht aber die besondere und über dieses Mandatsverhältnis hinausgehende und vor dem Amtsgericht Tiergarten erklärte Ernennung. Dies ergibt sich zum einen aus der Zweckbestimmung der Zustellungs- und Ladungvollmacht, die hier erkennbar der Sicherung des Verfahrens diente. Sie gilt für die gesamte Dauer des Verfahrens und kann insbesondere nicht durch einseitige Verzichtserklärung des Bevollmächtigten vor Abschluß des Verfahrens zum Erlöschen gebracht werden (vgl. OLG Koblenz NStZ-RR 2004, 373, 375; OLG Düsseldorf VRS 71, 369, 370). Zum anderen ergibt sich dies auch aus dem Rechtsgedanken des § 170 BGB. Danach bleibt im Interesse der Rechtssicherheit eine Vollmacht, die durch Erklärung gegenüber einem Dritten erteilt worden ist, solange in Kraft, bis der Vollmachtgeber dem Dritten gegenüber das Erlöschen angezeigt hat. Die vom Verteidiger mit Schreiben vom 23. August 2009 erklärte Niederlegung der Zustellungs- und Ladungsvollmacht war, wie er im übrigen selbst in seiner Revisionsbegründung einräumt, deshalb unwirksam und er blieb für das weitere Verfahren Ladungs- und Zustellungsbevollmächtigter.
Unabhängig davon war auch die Ausführung der öffentlichen Zustellung fehlerhaft. Das Gericht hat sich zwar erkennbar aber im Ergebnis erfolglos, bemüht, die Anschrift des Angeklagten zu ermitteln. Für die weitere Ausführung der öffentlichen Zustellung gelten über die Verweisung in § 37 Abs. 1 StPO die Regelungen der ZPO nach den §§ 186, 187. Danach weist der hier vorgenommene Aushang nicht die nach § 186 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erforderliche letzte bekannte Anschrift des Zustellungsadressaten aus. Ein nicht ordnungsgemäß im Sinne des § 186 Abs. 2 ZPO vorgenommener Aushang macht jedoch die öffentliche Zustellung unwirksam (vgl. OLG Dresden StraFo 2006, 375, Senat StraFo 2009, 240).
Da die Verfahrensrüge Erfolg hat, kommt es auf die allgemein erhobene Sachrüge nicht mehr an. Sie führt nur zur Prüfung, ob Verfahrensvoraussetzungen fehlen oder Verfahrenshindernisse vorlieg...