Leitsatz (amtlich)
1. Grundlage des Mehrvergütungsanspruchs aus § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B sind die tatsächlichen Mehr- oder Minderkosten, die dem Unternehmer aufgrund der Leistungsänderung entstehen.
2. Die Preiskalkulation des Unternehmers ist nur ein Hilfsmittel bei der Ermittlung dieser Kostendifferenz. Im Streitfall kommt es nicht auf die Kosten an, die der Unternehmer in seiner Kalkulation angesetzt hat, sondern auf diejenigen, die ihm bei Erfüllung des nicht geänderten Vertrages tatsächlich entstanden wären.
3. Soweit der Unternehmer die Werkleistung durch einen Nachunternehmer erbringen lässt, liegen seine Mehrkosten in der Mehrvergütung, die er aufgrund einer Leistungsänderung an diesen entrichten muss, solange diese Mehrvergütung marktgerecht ist.
4. Übersteigt die einem Bauunternehmer zugesagte Vergütung die Kosten, die ihm durch die Vertragserfüllung tatsächlich entstehen, sodass er einen Zuschlag zur Deckung seiner allgemeinen Geschäftskosten und seines Gewinns erwirtschaftet, ist bei Ermittlung des Mehrvergütungsanspruchs nach § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B der entsprechende Zuschlagsfaktor auch auf die änderungsbedingten Mehrkosten anzuwenden ("guter Preis bleibt guter Preis").
5. Auch bei der Ermittlung dieses Zuschlagsfaktors kommt es im Streitfall nicht auf den vom Unternehmer kalkulierten Wert, sondern den Faktor an, der in Anbetracht der tatsächlichen Kosten des Bauvorhabens und der Vergütungshöhe zutreffend ist.
6. Auch wenn die Vergütung des Unternehmers zur Deckung seiner Kosten nicht auskömmlich ist, beläuft sich sein Mehrvergütungsanspruch aus § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B stets zumindest auf seine änderungsbedingten Mehrkosten zuzüglich eines angemessenen Zuschlags zur Deckung seiner allgemeinen Geschäftskosten und seines Gewinns.
7. Dieser angemessene Zuschlagsfaktor beträgt analog §§ 649 S. 3 und 648a Abs. 5 S. 3 BGB a. F. mindestens 100/95 = 20/19 = 1,0526.
8. Für Bauprozesse folgt hieraus: Ein Bauunternehmer hat seinen Mehrvergütungsanspruch aus § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B jedenfalls in Höhe eines Sockelbetrages schlüssig dargelegt, wenn er die ihm durch die Leistungsänderung tatsächlich entstandenen Mehrkosten vorgetragen hat. Ist dies geschehen, muss der Unternehmer die Kalkulation seiner Vergütung nicht weiter darlegen.
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 8 O 180/15) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers und der Beklagten zu 1), 4) und 5) sowie auf die Anschlussberufung der Beklagten zu 2) und 3) wird das Urteil des Landgerichts vom 9. Februar 2017 abgeändert und wie folgt neugefasst:
1. Die Beklagten zu 1) bis 5) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 17.098,59 EUR (einschließlich Mehrwertsteuer) zu zahlen, Zug um Zug gegen Beseitigung der folgenden Mängel in der Wohnung 12.0.3 in der Z... ..., ... B... :
- In der gesamten Wohnung weist das Parkett Kratzer, Schattierungen und Farbflecken auf.
- Die Spaltmaße zwischen dem Parkett und der Fußbodenleiste sind zu weit.
- Der Farbanstrich der Fensterbänke aus Holz ist nicht deckend und schließt Staub- und Schmutzpartikel ein.
2. Die Klage im Übrigen und die Widerklage werden abgewiesen.
II. Im Übrigen werden die Berufung des Klägers und der Beklagten zu 1), 4) und 5) sowie die Anschlussberufung der Beklagten zu 2) und 3) zurückgewiesen.
III. Die Kosten des vorliegenden Rechtsstreits werden wie folgt verteilt:
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers haben dieser selbst zu 73 %, die Beklagte zu 1) zu 20 % und die Beklagten zu 2) bis 5) als Gesamtschuldner zu 7 % zu tragen.
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) haben der Kläger zu 67 % und die Beklagte zu 1) zu 33 % zu tragen.
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) bis 5) haben der Kläger zu 83 % und die Beklagten zu 2) bis 5) zu 17 % zu tragen.
Die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens vor dem Landgericht Berlin 7 OH 3/12 tragen der Kläger zu 67 %, die Beklagte zu 1) zu 33 %.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleitung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenpartei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird in dem unter II.6 der Gründe erläuterten Umfang zugelassen.
Gründe
I. Die P... I... ... GmbH & Co. KG (im Folgenden: P... KG) war Eigentümerin der Grundstücke Z... ... und ..., ... B..., die mit Wohnhäusern bebaut sind. Geschäftsführer der Komplementärin der P... KG war der mittlerweile verstorbene I... v... B... . Die Beklagte zu 1) war bis zu seinem Tod seine Ehefrau, die Beklagten zu 2) bis 5) sind seine Kinder, alle Beklagten zusammen sind seine Erben.
Die P... KG wollte die genannten Grundstücke in Wohneigentum aufteilen, die Gebäude sanieren und an Erwerber veräußern. Am 22. Juni 2009 beauftragte sie den Kläger als Generalunternehmer mit den erforderlichen Bauleistungen (Anlage K 31). Dabei war für die einzelnen Wohnungen in Raumbüchern ein näher definierter ...