Leitsatz (amtlich)
1. Hat die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft in einem Sammelbeschlussverfahren gleichzeitig der Zustimmung zu mehreren Verträgen über die Errichtung stiller Gesellschaften zugestimmt, ist der Zustimmmungsbeschluss wirksam, wenn die verschiedenen Verträge in einem sachlichen Zusammenhang stehen und der Versammlungsleiter darauf hingewiesen hat, dass diejenigen Aktionäre, die auch nur einem der Verträge nicht zustimmen wollten, mit Nein stimmen sollten, weil dann bei Nichterreichen der erforderlichen Mehrheit über jeden Vertrag einzeln abgestimmt werden müsste.
2. Ein derartiger Beschluss ist nicht wegen fehlender Ankündigung eines Bezugsrechtsausschlusses nichtig. Zwar ähneln solche stillen Gesellschaften in ihrer Wirkung für die Aktionäre der Kapitalbeschaffung durch die Vereinbarung von Genussrechten oder Gewinnschuldverschreibungen. Der Gleichstellung der stillen Gesellschaft mit Genussrechten oder Gewinnschuldverschreibungen stehen jedoch die besonderen gesellschaftlichen Treuepflichten und die Förderung eines gemeinsamen Zwecks entgegen.
Normenkette
AktG § 132 Abs. 2, § 139 Abs. 2, § 186 Abs. 4, § 221 Abs. 4, § 241 Nr. 3, §§ 243, 292 Abs. 1 Nr. 2, § 293 ff.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 17.01.2002; Aktenzeichen 105 O 32/00) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Kammer für Handelssachen 105 des LG Berlin vom 19.7.2000 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beklagte ist eine deutsche Hypothekenbank und als Aktiengesellschaft verfasst. Ihr Grundkapital beträgt 23,4 Mio. Euro. Mehrheitsaktionärin der Beklagten ist die B.-Bank AG mit einer Beteiligung von 85,5 %. Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der sich die Wahrung der Rechte der Minderheitsaktionäre zur Aufgabe gesetzt hat. Er hält an der Beklagten eine Minderheitsbeteiligung.
Die Beklagte führte am 20.1.2000 in den Räumen ihrer Mehrheitsaktionärin in F. eine dorthin einberufene außerordentliche Hauptversammlung durch. An dieser Hauptversammlung nahm auch der Kläger durch seinen Vertreter teil.
Alleiniger Anlass und Tagesordnungspunkt dieser außerordentlichen Hauptversammlung war die Erläuterung und anschließende Beschlussfassung zur Genehmigung des Abschlusses von neun, im Wesentlichen gleich lautenden Verträgen zwischen der Beklagten und verschiedenen Unternehmen. Diese Verträge wurden von der Beklagten als Verträge über die Errichtung typischer stiller Gesellschaften überschrieben. Mit Abschluss dieser Verträge verpflichteten sich die Unternehmen, Einlagen i.H.v. insgesamt 44 Mill. Euro an die Beklagte zu leisten. Dabei beteiligten sich die Unternehmen A) – H) mit Beträgen zwischen 2,3 und 3 Mio. Euro, das Unternehmen I), die S.-Beteiligungs-GmbH, mit einem Betrag von 25 Mio. Euro.
Nach den Verträgen wurde die einzelne Einlage gem. § 10 Abs. 4 KWG dem haftenden Eigenkapital der Beklagten zugerechnet. Die Einlage eines jeden Unternehmens nahm nach Maßgabe der §§ 5.8 bis 5.10 der Verträge bis zur vollen Höhe am Verlust der Beklagten teil. Im Falle eines Verlustes sollten für das betroffene Geschäftsjahr keine Gewinne ausgeschüttet werden. Im Falle der Insolvenz oder Liquidation der Beklagten sollte die Einlage erst nach Befriedigung aller Gläubiger zurückgezahlt werden, § 5.7.
Die Beklagte gewährte einen jährlichen Gewinnausschüttungsanspruch von zwischen 8,10 und 8,16 %, in einem Fall einen Gewinnanteil von 12-Monats-EURIBOR + 2,6 %, wenn und soweit der ermittelte Gewinn der Beklagten ausreicht. Ansonsten sollte der Gewinnanspruch entspr. anteilig gekürzt werden, § 5.4. Ein Nachzahlungsanspruch für die Folgejahre bestand nach § 5.6 der Verträge nicht.
Gemäß § 3 der Verträge erfuhr die alleinige Geschäftsführungsbefugnis der Beklagten eine Einschränkung dahin gehend, dass sie zur vollständigen oder teilweisen Einstellung ihres Hypothekenbankgeschäfts sowie zur vollständigen oder teilweisen Veräußerung oder Verpachtung ihres Hypothekenbankgeschäfts der Einwilligung der stillen Gesellschafter bedurfte.
Die in den Verträgen vereinbarte Laufzeit endete mit Ablauf des 31.12.2011. Eine vorzeitige Kündigung aus wichtigem Grund blieb den Parteien unbenommen.
Wegen des weiteren Inhalts wird auf den Vertrag über die Errichtung einer typischen stillen Gesellschaft Bezug genommen (Bl. 12 d.A.).
In der Hauptversammlung bat der Aktionär Prof. W. um Auskunft, welche geschäftlichen Beziehungen zwischen der Mehrheitsaktionärin der Beklagten und den stillen Gesellschaftern beständen. Diese Frage wurde vom Vorstand unter Berufung auf das entgegenstehende Bankgeheimnis nicht beantwortet.
Vor Beginn der Abstimmung wies der Vorsitzende des Aufsichtsrats, der die Hauptversammlung leitete, darauf hin, dass über die Genehmigung der insgesamt neun Verträge g...