Leitsatz (amtlich)
1. Die werbende Bezeichnung von Papier, zu dessen Herstellung auch Fabrikationsreste verwendet werden, die bei der Produktion von Frischfaserpapier anfallen, als "100 % recycled", "premium recycled", "The whitest recycled office paper", "premium recycled office paper" oder "Neudefinition von Recycling-Papier" ist irreführend.
2. Dies gilt auch dann, wenn unter der Überschrift "Advanced Formula" ergänzend angegeben wird: 50 % recycled fibre, 50 % paper production waste.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 22.04.2008; Aktenzeichen 15 O 669/07) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 22.4.2008 verkündete Urteil der Zivilkammer 15 des LG Berlin - 15 O 669/07 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagten zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin stellt Papier her und vertreibt dieses.
Die Beklagten gehören zur Unternehmensgruppe "gPS", die ebenfalls Papier herstellt und vertreibt. Die Beklagte zu 1) ist die Muttergesellschaft, eine Aktiengesellschaft nach portugiesischem Recht. Die Beklagte zu 2) ist für die Verkaufsförderung auf dem deutschen Markt zuständig.
Die Beklagten produzieren und vertreiben DIN A-4 Büropapier mit der Bezeichnung "e" in einer Umverpackung, deren Vorder- und Rückseite auf den Seiten 3 und 4 der Klageschrift (Band I/Bl. 3, 4 d.A.) abgebildet ist.
Dieses Papier besteht zu 50 % aus Fasern, die aus Papierabfällen von Endverbrauchern stammen. Weitere 50 % des Papiers bestehen aus Fasern aus Primär - oder Frischfaserpapierabfällen, etwa Schnittresten, die bei dem Zuschnitt auf das gewünschte Papierformat anfallen.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Werbung der Beklagten für das unter der Bezeichnung "e" vertriebene Papier sei irreführend, weil der Verkehr unter Recyclingpapier nur Papier aus einem Sekundärrohstoff verstehe, mithin Papier, das aus Papier hergestellt worden sei, das die Papierindustrie in den Verkehr gebracht, wieder eingesammelt und aufbereitet habe. Jedenfalls erwarte der Verkehr, dass Papier, das als Recyclingpapier bezeichnet werde, den einschlägigen Industrienormen und anderen Vorgaben genüge, nach denen aber die von den Beklagten als "paper production waste" bezeichneten Frischfaserpapierabfälle und -reste, nicht als Recyclingpapier anzusehen seien.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagten zu verurteilen es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an dem Vorstandsvorsitzenden der Beklagten zu 1. bzw. den Geschäftsführern der Beklagten zu 2., zu unterlassen,
Papier, bei dessen Herstellung Fabrikationsreste verwendet werden, die bei der Produktion von Frischfaserpapier anfallen, unter der Angabe "100 % recycled" und/oder "premium recycled" und/oder "The whitest recycled office paper" und/oder "premium recycled office paper" und/oder "Neudefinition von Recycling-Papier" im geschäftlichen Verkehr anzubieten und/oder zu bewerben und/oder zu vertreiben, insbesondere wenn dies geschieht wie auf S. 3 und 4 der Klageschrift (Band I/Bl. 3,4 d.A.) wiedergegeben,
2. die Beklagten zu verurteilen, ihr unter Vorlage einer einheitlichen, geordneten Aufstellung Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie die Handlungen gem. Ziff. 1 seit dem 10.2.2007 vorgenommen haben, und zwar unter Angabe
a) der betriebenen Werbung, geordnet nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
b) des verkauften Papiervolumens, geordnet nach Papiergrößen, und
c) des erzielten Umsatzes,
3. die Beklagten zu verurteilen, sie als Gesamtschuldner von der Gebührenforderung der Rechtsanwälte H i.H.v. 2.360,80 EUR freizustellen,
4. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner ihr den Schaden zu ersetzen haben, der ihr durch die Handlungen gem. Ziff. 1 seit dem 10.2.2007 entstanden ist und noch entstehen wird.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen, auch Papierfasern aus sog. "pre-consumer-waste", d.h. Abfällen, die bei der Weiterverarbeitung der Papierbahnen nach Abschluss der Papierherstellung anfallen, seien nach dem Verkehrsverständnis, den einschlägigen Industrienormen und anderen Regelungen als Recyclingpapier anzusehen. Die Papierherstellung sei mit der Herstellung der "Mutterrolle", d.h. dem Aufwickeln der fertigen Papierbahn auf einen Stahlkern (Tambour), abgeschlossen.
Mit dem am 22.4.2008 verkündeten Urteil hat das LG der Klage antragsgemäß stattgegeben. Es wird insoweit auf das erstinstanzliche Urteil verwiesen, und zwar auch hinsichtlich des weitergehenden erstinstanzlichen Vortrages der Parteien.
Die Beklagten wenden sich mit der Ber...