Harald Kinne, Klaus Schach
1 Allgemeines
Rz. 1
Die Anzeigepflicht des § 536c ist ein Teil der allgemeinen Obhutspflicht, die sich als Nebenpflicht aus dem mietvertraglichen Dauerschuldverhältnis ergibt. Sie soll dem Vermieter die Möglichkeit geben, seiner Herrichtungspflicht nach § 535 nachzukommen, und besteht demgemäß dann nicht, wenn der Vermieter schon vom Mangel Kenntnis hat (vgl. OLG Hamburg, Urteil v. 26.4.1991, 4 U 25/91, WuM 1991, 328 = ZMR 1991, 262; OLG Düsseldorf, Urteil v. 25.10.1990, 10 U 15/90, ZMR 1991, 24). Die Unterlassung der Anzeige kann weitreichende Folgen für die Gewährleistungsrechte aus § 536 haben, jedoch auch Schadensersatzansprüche auslösen und u. U. sogar zur Kündigung berechtigen (§ 543). Zeitlich beginnt die Anzeigepflicht mit der Überlassung der Mietsache und besteht bis zur Räumung fort, ohne dass es auf das rechtliche Ende des Mietverhältnisses ankommen würde (vgl. BGH, Urteil v. 14.6.1967, VIII ZR 268/64, NJW 1967, 1803). Räumlich bezieht sie sich auf die Mietsache und Gebäudebestandteile, auf die sich der vertragsgemäße Gebrauch des Mieters erstreckt, also auch auf Treppen, Flure, Nebengelasse und dgl.
2 Mängel/Mängelanzeige – § 536c Abs. 1
Rz. 2
Die Vorschrift entspricht inhaltlich dem früheren § 545 Abs. 1 a. F., ist lediglich sprachlich modifiziert worden. Das Wort "Vorkehrung" ist durch "Maßnahme" ersetzt worden, bedeutet jedoch keine inhaltliche Änderung.
2.1 Mangel
Rz. 3
Der Mangel wird hier weiter als in den §§ 536, 536a verstanden und bezieht sich auf jeden schlechten Zustand der Mietsache, ohne Rücksicht darauf, ob der vertragsgemäße Gebrauch dadurch beeinträchtigt wird (BGH, Urteil v. 4.4.1977, VIII ZR 143/75, BGHZ 68, 281), so dass die Anzeigepflicht auch dann besteht, wenn ein Mangel nur unzureichend beseitigt worden ist, Mängel also noch fortbestehen (OLG Düsseldorf, Urteil v. 25.10.1990, 10 U 15/90, ZMR 1991, 24).
Der Mangel muss für den Mieter "sich zeigen", so dass hinsichtlich verborgener Mängel mangels Prüfungs- und Nachforschungspflicht keine Anzeigepflicht besteht. Muss sich allerdings dem Mieter ein Verdacht aufdrängen bzw. übersieht er einen Mangel infolge grober Fahrlässigkeit, verletzt er die Anzeigepflicht (BGH, Urteil v. 4.4.1977, VIII ZR 143/75, BGHZ 68, 281 [284]).
Grobe Fahrlässigkeit
Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Mieter das für jedermann naheliegende nicht zur Kenntnis nimmt, insbesondere ihm obliegende Kontroll- und Instandhaltungspflichten verletzt (KG Berlin, GE 2001, 1603). Die Anzeigepflicht des Mieters gem. § 536c Abs. 2 S. 1 besteht erst dann, wenn der Mangel so offensichtlich ist, dass seine Wahrnehmung sich dem Mieter praktisch hat aufdrängen müssen (LG Rostock, Urteil v. 19.5.2017, 1 S 198/16, WuM 2017, 402).
2.2 Anzeige
Rz. 4
Die Anzeige ist keine einseitige Willenserklärung, sondern nur eine sog. rechtserhebliche Handlung, für die eine besondere Form nicht vorgeschrieben ist, für die sich jedoch Schriftlichkeit zu Beweiszwecken anbietet, da der Mieter im Streitfalle die rechtzeitige Anzeige beweisen muss. Die Anzeige hat unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern (§ 121) zu erfolgen. Das ist nach der Art des Mangels und der damit verbundenen Gefahr zu messen.
Die Anzeigepflicht entfällt, wenn der Mangel oder die konkrete Gefahr dem Vermieter bereits bekannt ist oder sein muss (BGHZ 68, 281, 284; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536c Rn. 26). Das wäre z.B. der Fall bei Mängeln als Folge von Abbrucharbeiten, die der Vermieter durchgeführt hat (OLG Karlsruhe, ZMR 1988, 52). Die Anzeigepflicht entfällt ebenfalls, wenn dem Vermieter die Beseitigung des Mangels nicht möglich ist (Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536c Rn. 27).
Die Anzeige muss unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, erfolgen.
Sicherheitsmängel
Mängel, die die Sicherheit des Gebäudes oder der Hausbewohner oder Dritter gefährden, muss der Mieter sofort - ggf. telefonisch oder per E-Mail - anzeigen.
Bei mehreren Mietern reicht die Anzeige durch einen von ihnen aus.
Die Anzeige muss gegenüber dem Vermieter - oder der bevollmächtigen Hausverwaltung oder einem sonstigen Vertreter gegenüber - erfolgen. Die Kenntnis des Hauswarts ist dem Vermieter zuzurechnen (Kraemer, WuM 2000, 515, 518). Die Anzeige gegenüber den für den Vermieter tätigen Handwerkern oder gar gegenüber der Polizei reicht nicht aus.
Die Anzeige bedarf keiner Form, ist also auch mündlich wirksam. Jede Vereinbarung, dass die Anzeige schriftlich erfolgen muss, ist unwirksam. Die Anzeige muss - zumindest schlagwortartig (LG Berlin, GE 2006, 1173) - den konkreten Zustand des Mietobjektes oder Gebäudes schildern, braucht aber keine Abhilfemöglichkeiten vorzuschlagen.
Die Anzeigepflicht entfällt, wenn der Mangel oder die konkrete Gefahr dem Vermieter bereits bekannt ist (BGHZ 68, 281, 284 = NJW 1977, 1236) oder dem Vermieter die Beseitigung des Mangels nicht möglich ist (Kandelhard, ZAP-Praxiskommentar Mietrecht, 3. Aufl.2007, § 536c Rn. 7).
2.3 Beweislast
Rz. 5
Der Vermieter trägt die Beweislast für die Kenntnis des Mieters vom Mangel bzw. dessen Erkennbarkeit und für die rechtzeitige Abhilfe im Falle einer Anzeige (...