Leitsatz (amtlich)
Erforderlichkeit eines Schlichtungsverfahrens für Schmerzensgeldklagen, die auf Ehrverletzung und Nachstellung (§ 238 StGB) gestützt werden. Anforderungen an den Sachvortrag, wenn der Schmerzensgeldanspruch auf Nachstellungen im Sinne von § 238 StGB gestützt werden soll.
Verfahrensgang
AG Husum (Entscheidung vom 11.11.2010; Aktenzeichen 2 C 697/10) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 19.11.2010 wird der Beschluss des Amtsgerichts Husum vom 11.11.2010, durch den ihr Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt worden ist, abgeändert:
Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit sie auf Verurteilung zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 1.000 EUR anträgt.
Ihr wird Rechtsanwalt Dr. H. aus S. beigeordnet.
Sie braucht keine Raten zu zahlen.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Von den Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin die Hälfte; eine Kostenerstattung findet nicht statt.
Gründe
Die Beschwerde hat teilweise Erfolg. Der Antragstellerin ist unter Abänderung der Ausgangsentscheidung Prozesskostenhilfe zu bewilligen, weil sie die Prozesskosten nicht aus dem eigenen Einkommen oder Vermögen aufbringen kann (§ 114 ZPO) und ihre angekündigte Klage wenigstens teilweise Aussicht auf Erfolg hat.
1.
Die beabsichtigte Klage auf Zahlung eines Schmerzensgeldes ist nicht unzulässig. Die erfolglose Durchführung eines obligatorischen Güteverfahrens nach § 15a EGZPO i.V.m. § 1 Abs. 1 Landesschlichtungsgesetz als besondere Prozessvoraussetzung ist nicht erforderlich.
Die Antragstellerin beabsichtigt zwar, einen Schmerzensgeldanspruch wegen Ehrverletzung einzuklagen. Für solche Klagen ist unabhängig von dem Streitwert nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Landesschlichtungsgesetz (LSchliG) die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens notwendig, weil es um einen Anspruch wegen Verletzung der persönlichen Ehre, die nicht in Presse oder Rundfunk begangen worden ist, geht. Dieser Regelung unterfallen alle Ansprüche, die sich inhaltlich auf eine Ehrverletzung im Sinne der strafrechtlichen Bedingungen stützen, ohne dass es auf die zivilrechtliche Anspruchgrundlage ankommt (Saarländisches OLG, Urteil vom 26.11.2003, 1 U 146/03, zitiert [...] Rn. 23; LG Kiel, Urteil vom 27.04.2006, 1 S 278/05, zitiert [...] Rn. 14; AG St. Wendel, Urteil vom 25.04.2005, 13 C 52/05, zitiert [...] Rn. 15). Erfasst werden alle Ansprüche auf Unterlassung, Widerruf, Schmerzensgeld und Schadenersatz, unabhängig vom Streitwert und der Zuständigkeit von Amts- oder Landgericht (Gruber, in: Münchner Kommentar zur ZPO, 3. Auflage [2008] § 15 a EGZPO Rn. 24).
Gleichwohl bedarf es hier keines erfolglos vorangegangenen Schlichtungsverfahrens, weil der streitgegenständliche Sachverhalt, auf den der Schmerzensgeldanspruch gestützt wird, nicht nur die von der Antragstellerin behaupteten ehrverletzenden Äußerungen des Antragsgegners betrifft. Die Antragstellerin macht darüber hinaus geltend, der Antragsgegner stelle ihr nach, was unter Umständen den Straftatbestand der Nachstellung gemäß § 238 StGB verwirklichen könnte. Schutzgut des Tatbestandes der Nachstellung ist die Handlungs- und Entschlussfreiheit des Opfers hinsichtlich seiner persönlichen Lebensgestaltung und damit nicht nur das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Auflage [2010] § 238 Rn. 4). Ferner trägt die Antragstellerin zur Begründung ihres Schadenersatzanspruches vor, der Antragsgegner mache unberechtigt dritten Personen intime Filmaufnahmen von ihr zugänglich, was den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes nach Art. 1 i.V.m. Art. 2 GG betreffen dürfte, der über den Schutz der persönlichen Ehre hinausgeht.
2.
Der Schmerzensgeldanspruch besteht aber allenfalls in Höhe von 1.000 EUR. Ein darüber hinausgehender Antrag wird voraussichtlich keinen Erfolg haben.
a)
Der von der Antragstellerin geltend gemachte Straftatbestand der Beleidigung kann ein Schmerzensgeld von mindestens 2.000,00 EUR nicht begründen.
Die Antragstellerin hat hierzu vorgetragen, der Antragsgegner habe sie am 12.02.2010 als "hässlich" und "fett, wie eine Kuh" bezeichnet. Weitere ehrverletzende Beleidigungen hat die Antragsgegnerin nicht konkret vorgetragen. Für die konkrete Darlegung von ehrverletzenden Äußerungen genügt es nicht, auf die "Liste der Begegnungen seit März 2010" (Anlagen K2, Bl. 43/44 d.A.) zu verweisen. Darin ist lediglich für den 03.06.2010 vermerkt, der Antragsgegner "spricht Beleidigungen aus". Das genügt den Anforderungen an den Vortag für eine schmerzensgeldwürdige Beleidigung nicht. Die Antragstellerin schildert insbesondere nicht, mit welchen Äußerungen der Antragsgegner hervorgetreten ist und wie groß der Adressatenkreis war.
b)
Die von der Antragstellerin dargelegten Nachstellungen (§ 238 StGB) rechtfertigen ebenfalls kein darüber hinausgehendes Schmerzensgeld.
(1)
§§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB scheiden als Anspruchsgrundlagen für ein Schmerzensgeld aus, soweit durch die Nachstellungen nur die...