Entscheidungsstichwort (Thema)
Vereinsrecht: Fortbestand und Namensschutz altrechtlicher Schützengesellschaften in Thüringen
Orientierungssatz
1. Altrechtliche Schützengesellschaften in Thüringen wurden weder durch Maßnahmen des nationalsozialistischen Regimes noch durch Maßnahmen der Besatzungsmächte oder der DDR aufgelöst; sie bestehen auch bei zwischenzeitlicher rechtlicher und faktischer Handlungsunfähigkeit und ungeklärtem Verbleib des Vereinsvermögens fort und können ihre Tätigkeit durch Beschluß der Mitglieder wieder aufnehmen, ohne daß es der staatlichen Genehmigung oder der Eintragung in das Vereinsregister bedarf.
2. Ein eingetragener Schützenverein, dessen Name mit dem einer fortbestehenden altrechtlichen Schützengesellschaft identisch ist, ist von Amts wegen im Vereinsregister zu löschen.
3. Ein eingetragener Schützenverein ist von Amts wegen im Vereinsregister zu löschen, wenn sein Name eine Jahreszahl enthält, die nicht dem Gründungsjahr entspricht und auf ein altrechtliches Privileg hinweist, das der Verein aus Rechtsgründen nicht für sich in Anspruch nehmen kann.
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird unter Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts Jena vom 13.02.2002 - VR 949 das Amtsgericht Jena - Registergericht - angewiesen, gegen den Beteiligten zu 2.) ein Amtslöschungsverfahren einzuleiten.
2. Der Gegenstandswert wird auf 3.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
In zeitlichem Zusammenhang mit der Gründung der Stadt Jena ergab sich wie auch in anderen deutschen Städten die Notwendigkeit, die geschaffenen festen Plätze durch eine bewaffnete, aus ehrbaren Bürgern bestehende Verbindung vor äußeren Angriffen zu schützen. Bereits in den Jahren 1304 und 1307 hatte sich die ... Bürgerschaft organisiert und bewaffnet, um Bedrohungen durch befestigte Orte des Grafen O v Kauf den umliegenden Erhebungen abzuwenden. In diesem Zusammenschluß wird der Beginn des organisierten Schützenwesens in der Stadt ... gesehen, wobei sich der Begriff der "Schützen" nicht von der Ausübung der Waffentätigkeit, sondern der tatsächlichen Schutzaufgabe herleiten soll.
Unabhängig von ihrem genauen Gründungsdatum und einer rechtlichen oder tatsächlichen Identität mit den vorgenannten Bürgerverbänden wird die ... Schützengilde als eine der ältesten in Thüringen bezeichnet; sie soll bereits im Jahre 1490 existiert haben. Im Jahre 1554 hat die ... Schützengilde erstmals ein öffentliches Vogelschießen auf einem dafür bestimmten Platz ausgerichtet und diese Praxis den folgenden Jahrhunderten fortgesetzt, beispielsweise in den Jahren 1731 und 1825.
Im Jahre 1826 vereinigte sich die ... Schützengilde mit dem sogenannten "Bürgerverein", bezog ein neues Schießhaus und nannte sich von diesem Zeitpunkt an "Schützen-Gesellschaft". Im Jahre 1843 wurde eine neue Schießordnung verabschiedet und die Ausübung des Schießwesens mit Unterbrechungen - beispielsweise in den Jahren 1846 - 1855 und 1870 - 1878 - fortgesetzt. Im Jahre 1910 wurde nach ununterbrochener Ausübung des Schießwesens eine neue Schießanlage bezogen.
Zu welchem Zeitpunkt sich die "... Gesellschaft" als "..." bezeichnete, kann nicht mehr festgestellt werden. Jedenfalls war dies im Jahre 1936 der Fall, als der im Jahre 1911 gegründete "... e.V." (VR des AG Jena Nr. 57) seine Auflösung und den Übergang seines Vermögens sowie den Übertritt ihrer Mitglieder in die vorgenannte Gesellschaft beschloß.
Die "..." übte den Schießsport auch während des Zweiten Weltkrieges mit gewissen Einschränkungen durch teilweise Belegung des Schützenhauses und der Schießanlage durch Wehrmacht, Volkssturm und andere Organisationen aus (z.B. Vereinsmeisterschaften im Jahre 1944) und hielt am 18.8.1941, 11.5.1942, 10.11.1942, 17.5.1943, 4.2.1944, 8.5.1944 und 9.8.1944 Vorstandssitzungen, am 16.10.1941, 6.8.1942, 18.9.1943 und 25.11.1944 Mitgliederversammlungen und am 5.3.1942, 7.2.1943, 20.2.1944 und 24.2.1945 Generalversammlungen ab. Die letzte Mitgliederliste, auf die inhaltlich verwiesen wird, hat der Beteiligte zu 1.) zu den Akten gereicht.
Die "..." war Mitglied in einem der drei deutschen Schützenverbände, zu dem auch der "... und" gehörte. Diese Verbände wurden durch Anordnung des Reichssportführers zum 1.1.1936 aufgelöst und in den "..." überführt.
Durch Gesetz Nr. 5, Ziff. I. 42 der Alliierten Militärregierung wurde der "..." aufgelöst. Durch Gesetz der Alliierten Militärregierung Nr. 52 wurde das Vermögen der aufgelösten Organisationen der Verwaltung, Aufsicht oder sonstigen Kontrolle der Militärregierung unterstellt. Mit Befehl vom 9.8.1945 untersagte der sowjetische Stadtkommandant ... jede Vereinstätigkeit auf sportlichem Gebiet. Er ordnete an, daß bestehende Vereine aufzulösen seien und übertrug die Organisation des gesamten Sportwesens an ein zu bildendes Sportamt der Stadt .... Durch Befehl Nr. 124 der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) vom 10.10.1945 und deren Befehl Nr. 126 vom 31.10.1945 wurde das Vermögen der aufgelösten Gesellschaften und der der "NSDAP" angeschlossen...