Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Krankenhausträgers für alkoholkranken Belegarzt
Normenkette
BGB §§ 249, 253, 278, 280
Nachgehend
OLG Hamm (Aktenzeichen 3 U 27/18) |
Tenor
Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin 250.000,– EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.06.2013 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche aus der fehlerhaften Behandlung vom 04.02.2011 resultierenden weiteren materiellen Schäden der Vergangenheit und Zukunft, sowie die nicht vorhersehbaren immateriellen Zukunftsschäden zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen und/oder übergegangen sind.
Die Beklagten werden weiter gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Rechtsschutzversicherer der Klägerin, nämlich an die W, außergerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten 7.027,24 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.06.2013 zu zahlen.
Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 25 % vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die zum Behandlungszeitpunkt 55 Jahre alte Klägerin begehrt Schmerzensgeld und die Feststellung der weitergehenden Ersatzpflicht im Zusammenhang mit einer Bandscheibenoperation vom 04.02.2011, die der mittlerweile verstorbene Herr Q als Belegarzt im Hause der Beklagten zu 2) durchgeführt hat.
Die Klägerin litt seit dem Jahr 2003 an Kopfschmerzen, Nackenschmerzen mit Ausstrahlung in den Hinterkopf, sowie an Armschmerzen bis in den Oberarm bzw. in die Schulter hinein (Zerviko-Zephalgien). Zeitweilig bestanden auch Schmerzen im Bereich der Oberarmaußenseite sowie Parästhesien im Bereich der Finger eins und zwei der rechten Hand und im Bereich beider Füße. Sie wurde von ihrem Hausarzt im November 2009 an ein Zentrum für Wirbelsäulenchirurgie in P überwiesen. Dort wurde nach der Erhebung von MRT-Befunden zur Überprüfung der unklaren Parästhesien zunächst eine elektrophysiologische Abklärung empfohlen.
Da die Beschwerden weiter fortbestanden, stellte sich die Klägerin im Januar 2011 bei Herrn Q vor. Es erfolgte die Anfertigung weiterer MRT-Aufnahmen. Q diagnostizierte einen Bandscheibenvorfall C5/6 und C6/7 mit rechtsbetonten beidseitigen Zerviko-Brachialgien. Er stellte die Indikation für eine Operation der Bandscheibe in den Segmenten C5/6 und C6/7 und befürwortete den Eingriff, wobei streitig ist, mit welchem Nachdruck dies geschah. Die stationäre Aufnahme in der Klinik der Beklagten zu 2) fand am 03.02.2011 statt. An diesem Tag unterzeichnete die Klägerin eine „Dokumentation des Aufklärungsgesprächs des Patienten mit dem Arzt”. Wegen des Inhalts der Dokumentation wird auf die Krankenunterlagen verwiesen.
Der Eingriff wurde am 04.02.2011 durchgeführt. Unstreitig kam es hierbei zu einer Verletzung des Rückenmarks. Nach Abklingen der Narkose war die Klägerin nicht mehr in der Lage, sich zu bewegen. Die Klägerin wurde in der Nacht vom 04. auf den 05.02.2011 in das Universitätsklinikum N1 verlegt, wo anhand einer MRT-Aufnahme eine odamentöse Auftreibung des Rückenmarks in Höhe HWK 6/7 mit begleitender Einblutung als Nachweis einer intraoperativen Rückenmarksverletzung diagnostiziert wurde. Außerdem wurde eine Kehlkopfverletzung festgestellt. Am 06.02.2011 erfolgte eine Rückverlegung in das Haus der Beklagten zu 2). Dort kam es am 07.02.2011 zu einem Gespräch zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann sowie dem damaligen Geschäftsführer der Beklagen zu 2), dem Zeugen H1, dem Zeugen A und Herrn T1. Der Inhalt des Gesprächs ist streitig.
Unstreitig litt Q an einer Alkoholabhängigkeit, wobei streitig ist, ob und in welcher Form diese zum Eingriffszeitpunkt bestanden hat. In dem Zeitraum, in dem ein Belegarztvertrag mit der Beklagten zu 2) bestanden hat, befand sich Q wegen der Alkoholproblematik zwei Mal in stationärer Behandlung. Ein mehrwöchiger Aufenthalt in der M1-Klinik M3 fand bereits im Jahr 2008 statt. Ferner wurde Q dort vom 16.07. bis 31.07.2009 stationär behandelt. Die M1-Klinik bescheinigte Q mit einem Schreiben vom 31.07.2009 für die Zeit ab dem 03.08.2009 eine Arbeitsfähigkeit für die Tätigkeit als Neurochirurg. Außerdem wurde in dem genannten Schreiben eine Empfehlung zur Erkennung von Alkoholmissbrauch ausgesprochen und zwar dahingehend, als Marker nicht die Testung von Atemluft und die Überprüfung von Leberwerten heranzuziehen, sondern einmal pro Quartal den CDT-Wert zu bestimmen.
Die Beklagte zu 2) kündigte zum 31.03.2011 ordentlich die mit Q bestehenden belegärztlichen Verträge (Belegarztvertrag, Mietvertrag, Kooperationsvertrag). Grund hierfür waren u.a. im Hause kursierende Gerüchte über den Alkoholkonsum von Q und berichtete Auffälligkeiten. Mit Datum vom 08.02.2011 wurde von der Beklagten zu 2) gegenüber Q dann eine fristlose Kündigung der Vertragsverhäl...