Leitsatz (amtlich)
1. Allein der Umstand, dass sich der Bürgschaftsbetrag auf nicht mehr als 25.000 DM beläuft, steht der Anwendung der vom BGH entwickelten Grundsätze zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaften naher Angehöriger nicht entgegen (Fortsetzung von OLG Celle, Urt. v. 11.12.2002 – 3 U 69/02; Abgrenzung zu OLG Koblenz v. 16.3.1999 – 3 U 1343/97, NJW-RR 2000, 639).
2. Im Sinne der Rspr. zur Rechtskraftdurchbrechung nach § 826 BGB kommt die Annahme einer sittenwidrigen Ausnutzung eines unrichtigen Titels auch dann nicht allein wegen der objektiven Unrichtigkeit in Betracht, wenn der (Bürgschafts-)Gläubiger einen Vollstreckungsbescheid erwirkt hat.
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Beschluss vom 28.11.2003; Aktenzeichen 1 O 250/03) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Gerichtskosten ihrer sofortigen Beschwerde zu tragen. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt Prozesskostenhilfe für ihren Antrag, die Beklagte zu verurteilen, die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid des AG Gifhorn zu unterlassen und den Vollstreckungstitel an die Klägerin herauszugeben.
Mit Bürgschaftsvertrag vom 20.12.1999 übernahm die Klägerin die selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Betrag von 25.000 DM. Die Bürgschaft sollte der Sicherung aller bestehenden, künftigen und bedingten Forderungen der Beklagten gegen ihren Ehemann dienen. Anlass der Bürgschaft war ein Darlehen an den Ehemann der Klägerin über 25.000 DM. Es handelte sich dabei um einen Betriebsmittelkredit zur Übernahme eines Gastronomiebetriebes.
Die Klägerin stützt ihren Anspruch auf § 826 BGB. Sie meint, angesichts ihrer seinerzeitigen Einkommenslosigkeit sei die Bürgschaft sittenwidrig. Die Zwangsvollstreckung sei unzulässig, weil die Beklagte einen unrichtigen Vollstreckungsbescheid über einen Anspruch aus einem sittenwidrigen Bürgschaftsvertrag erwirkt habe.
II. Das LG hat den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen, da die Rechtsverfolgung der Klägerin keine Aussicht auf Erfolg habe. Die Anwendung des § 826 BGB sei auf besonders schwerwiegende, eng begrenzte Ausnahmefälle beschränkt, da andernfalls die Gefahr einer Aushöhlung der Rechtskraft bestünde. Der Klägerin sei zwar zuzugeben, dass allein der Umstand, dass sich der Bürgschaftsbetrag nur auf 25.000 DM belief, einer Anwendung der vom BGH entwickelten Grundsätze zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaften naher Angehöriger nicht entgegen stehe. Sie verkenne jedoch, dass für eine Rechtskraftdurchbrechung nach § 826 BGB die objektive Unrichtigkeit des Titels allein nicht genüge. Es sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte zu dem Zeitpunkt, als sie den Erlass des Vollstreckungsbescheids beantragt habe, ohne Weiteres habe erkennen können, dass ihr Begehren im Klageverfahren abgelehnt worden wäre. Angesichts des vergleichsweise geringen Bürgschaftsbetrages von 25.000 DM und der grundsätzlich bestehenden Erwerbsfähigkeit der Klägerin zum Zeitpunkt der Bürgschaftserklärung sei von einer offenkundigen Sittenwidrigkeit des Bürgschaftsvertrages nicht auszugehen. Selbst wenn die dem Vollstreckungsbescheid zu Grunde liegende Bürgschaftsverpflichtung nach dem von der Klägerin zitierten Urteil des Bundesgerichtshofes vom 14.5.2002 als sittenwidrig erkennbar gewesen sei, spiele dies vorliegend keine Rolle, da der Vollstreckungsbescheid bereits vom 26.6.2001 datiere.
III. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde vom 5.12.2003. Die Klägerin sei in eine Zwangslage versetzt worden, weil andernfalls die Übernahme des Gastronomiebetriebes geplatzt wäre. Die von ihr vorgetragenen Bedenken seien durch den Mitarbeiter der Beklagten zerstreut worden. Deshalb habe die Beklagte dann auch in der Folgezeit darauf spekuliert, durch Einleitung eines schnellen gerichtlichen Mahnverfahrens ohne weitere Einwendungen zu einem Vollstreckungstitel zu gelangen. Hätte die Beklagte ein streitiges Verfahren eingeleitet, wäre es nach Auffassung der Klägerin mit Sicherheit vor dem Hintergrund der schon seinerzeit entwickelten Grundsätze zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaften naher Angehöriger zu einer gerichtlichen Schlüssigkeitsprüfung gekommen.
Das LG hat der Beschwerde vom 5.12.2003 mit Beschluss vom selben Tag nicht abgeholfen.
IV.1. Die Beschwerde der Klägerin ist als sofortige Beschwerde gem. §§ 127 Abs. 2 S. 2, 567 Abs. 1 ZPO auszulegen. Sie ist zulässig, namentlich fristgerecht eingelegt worden, § 127 Abs. 2 S. 3 ZPO.
2. Die sofortige Beschwerde hat aber in der Sache keinen Erfolg. Im Ergebnis und im Wesentlichen auch in der Begründung zutreffend hat das LG den Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin zurückgewiesen. Es fehlt der Rechtsverfolgung der Klägerin an der erforderlichen hinreichenden Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).
a) Vollstreckungsbescheide, die nach § 700 Abs. 1 ZPO einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Versäumnisurteil gleichstehen, sind der Rechtskraft fähig; die Gegenansicht (z.B. OLG Köln v. 19.12.1985 – ...