Verfahrensgang
AG Bückeburg (Aktenzeichen 20 VI 502/20) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Der Antrag der Beteiligten zu 1 vom 16. Dezember 2020 auf Erteilung eines Erbscheins wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 1 trägt die Gerichtskosten des Erbscheinsverfahrens erster Instanz. Eine Kostenerstattung der Beteiligten untereinander findet nicht statt.
Gründe
I. Der am ... Februar 1938 geborene und am ... Oktober 2020 verstorbene Erblasser war bis zu seinem Tod mit der Beteiligten zu 1 verheiratet. Das Ehepaar hatte zwei gemeinsame Kinder, die Beteiligten zu 2 und 3.
Am ... Oktober 1993 errichteten der Erblasser und die Beteiligte zu 1 eine von der Beteiligten zu 1 eigenhändig geschriebene und von dem Erblasser und ihr unterschriebene letztwillige Verfügung, die nur noch in Kopie vorliegt (Bl. 6 der Testamentsakten 20 IV ###/20 Amtsgericht Bückeburg). Sie lautet auszugsweise wie folgt:
Unser letzter Wille
Für den Fall unseres Todes vermachen wir unserem Sohn (dem Beteiligten zu 3) unser Hausgrundstück F. 35 und das daneben liegende Bau- und Waldgebiet laut Erbvertrag vom 12.10.67.
Das vorhandene Barvermögen (Wertpapiere und Bankguthaben) soll unsere Tochter (die Beteiligte zu 2) erben. Sie hat als vorweggenommene Erbschaft bereits mit Vertrag vom 06.07.1993 Grundvermögen übertragen bekommen.
Das Hausinventar sollen sich (die Beteiligten zu 2 und 3) je zur Hälfte teilen. (Der Beteiligte zu 3) erhält außerdem unseren Pkw und (die Beteiligte zu 2) den gesamten Schmuck.
(...)
P., 10.10.1993.
Es existiert ein weiteres Testament vom 20. Juni 2018 (Bl. 7 der vorgenannten Testamentsakten), das die Beteiligte zu 1 eigenhändig geschrieben und unterschrieben und der Erblasser eigenhändig unterschrieben hat. Es hat folgenden Inhalt:
Testament
Wir, die Eheleute H. und W. K., hatten am 10.10.1993 ein eigenhändiges gemeinschaftliches Testament errichtet. Dieses haben wir durch Zerreißen einvernehmlich vernichtet. Vorsorglich heben wir dieses Testament hiermit noch einmal seinem ganzen Inhalt nach auf.
Statt (dessen) setzen wir uns auf den Tod des Erstversterbenden wechselseitig als Alleinerben ein.
Minden, 20. Juni 2018
Schließlich liegt vor eine Ergänzung zum Testament vom 20. Juni 2018 (Bl. 8 der vorgenannten Testamentsakten), die die Beteiligte zu 1 eigenhändig geschrieben und unterschrieben und der Erblasser eigenhändig unterschrieben hat, mit folgendem Inhalt:
Ergänzung zum Testament vom 20.06.2018
Wir ergänzen unser Testament vom 20.6.2018 wie folgt:
Auf den Tod des Erstversterbenden setzen wir uns wechselseitig als von allen Beschränkungen befreite Vorerben ein. Nacherbin ist unsere Tochter (Beteiligte zu 2). Die Nacherbfolge tritt mit dem Tod des Vorerben ein. Unsere Tochter (Beteiligte zu 2) ist zugleich die alleinige Schlusserbin nach dem Längstlebenden von uns. Ersatzerben und Ersatznacherben sind die Abkömmlinge unserer Tochter, unter sich entsprechend den Regeln der gesetzlichen Erbfolge.
Minden, 6. Juli 2018
Die Beteiligte zu 1 lebte seit dem Jahr 2016 nicht mehr im ehelichen Haushalt, sondern aufgrund einer Demenzerkrankung in einem Pflegeheim. Am 19. Februar 2017 brachte der Erblasser seine mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebende Schwester im Affekt um. Anschließend befand er sich in der geschlossenen Psychiatrie in L., weil er nach dem Tötungsdelikt versucht hatte, sich das Leben zu nehmen. Im Februar 2018 begann der Strafprozess gegen den Erblasser, in dem er wegen Totschlags zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt worden ist.
Die Beteiligte zu 2 hat vorgetragen, sie habe das bei einer Sichtung im Jahr 2017 im Elternhaus gefundene gemeinschaftliche Testament aus dem Jahr 1993 dem Vater in die Psychiatrie gebracht und sich hiervon zuvor eine Kopie gefertigt. Im April oder Mai 2017 habe ihr der Erblasser mitgeteilt, er habe das Testament aus dem Jahr 1993 zerrissen. Zuvor sei sie bei ihrer Mutter, der Beteiligten zu 1, im Pflegeheim gewesen, die ihr da schon von der Testamentsvernichtung berichtet habe. Zu der Testamentsvernichtung habe sich der Erblasser durch die nach dem Tötungsdelikt völlig veränderten Lebensumstände veranlasst gesehen - die Ehefrau sei im Pflegeheim gewesen und er selbst habe eine hohe Haftstrafe erwartet. Er habe es nicht für möglich und sinnvoll gehalten, das im Testament aus dem Jahr 1993 dem Beteiligten zu 3 vermachte Haus im F. 35 in P. zu behalten. Darüber seien die Ehegatten sich einig gewesen.
Anlässlich des geplanten Verkaufs des Hauses F. 35 in P. durch den Erblasser als Alleineigentümer (notarieller Vertrag vom 7. Mai 2018) beantragte der Beteiligte zu 3 am 8. Mai 2018 beim Amtsgericht Minden die Einleitung eines Betreuungs-verfahren sowohl für den Erblasser als auch die Beteiligte zu 1. Die Einrichtung einer Betreuung für den Erblasser wurde mit Beschluss vom 21. Juni 2018 mit der Begründung abgelehnt, dass der Erblasser noch in der Lage sei, seine eigenen Angelegenheiten eigenständig zu regeln. Für die Beteiligte zu 1 lehnte das Amtsgericht die Einrichtung einer Betreuung mit...