Leitsatz (amtlich)
"Eingegangen" i.S.d. § 167 ZPO ist ein Mahnbescheidsantrag nicht erst bei Entgegennahme durch Bedienstete des im Antrag bezeichneten Gerichts, sondern bereits dann, wenn er derart in den Machtbereich des Gerichts gelangt ist, dass der Zugriff Unbefugter regelmäßig ausgeschlossen werden kann.
Verfahrensgang
AG Uelzen (Aktenzeichen 13-8301428-0-3) |
Tenor
Es wird festgestellt, dass das Eingangsdatum des Mahnbescheidsantrages zum Mahnverfahren AG Uelzen 13-8301428-0-3 vom 2.1.2013 auf den 29.12.2012 zu korrigieren ist.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; die außergerichtlichen
Kosten der Antragstellerin sind aus der Staatskasse zu erstatten.
Der Geschäftswert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Am 28.12.2012 gab der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin bei der Filiale O. der Deutschen Post AG einen an das AG Uelzen - Zentrales Mahngericht - gerichteten Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides auf. Mit dem Einlieferungsbeleg erhielt der Prozessbevollmächtigte eine Identifikationsnummer, anhand derer eine Sendungsverfolgung möglich war. Diese - per Internet durchgeführte - Sendungsverfolgung brachte folgendes Ergebnis: "Die Sendung wurde am 29.12.2012 zugestellt".
Das AG Uelzen bedient sich des "Bring-Services" der Deutschen Post AG, d.h.: Sämtliche Schriftstücke, die an das Zentrale Mahngericht gerichtet sind, werden in ein bei der Deutschen Post AG befindliches Postfach eingelegt und Montag bis Freitag einmal täglich (vormittags) von Mitarbeitern der Deutschen Post AG in der Wachtmeisterei des Zentralen Mahngerichts abgeliefert. Ausgenommen von dieser Regel sind - neben den Samstagen und Sonntagen - die
Feiertage und die sonstigen dienstfreien Tage.
Dies führte zum Jahreswechsel 2012/2013 dazu, dass letztmalig am Freitag, den 28.12.2012 vormittags die im Postfach des Mahngerichts eingegangenen Schriftstücke an das Mahngericht weitergeleitet wurden. Hingegen erfolgte am 29.12.2012 (Samstag), am 30.12.2012 (Sonntag) und am 1.1.2013 (Neujahr) ebenso wenig eine Auslieferung wie am Montag, den 31.12.2012, weil dieser Tag (Silvester) gem. § 2 NdsArbZVO sowie § 6 TV-L in der Niedersächsischen Justiz dienstfrei ist. Der Mahnbescheidsantrag der Antragstellerin wurde daher erst am 2.1.2013 bei der Wachtmeisterei des Zentralen Mahngerichtes eingeliefert und dort mit dem Eingangsstempel des nämlichen Datums (2.1.3013) versehen.
Die Antragstellerin, die eine Forderung zum Gegenstand des Mahnbescheidsantrages gemacht hatte, die mit Ablauf des 31.12.2012 der Verjährung unterlag, begehrt die Korrektur des Eingangsdatums des von ihr gestellten Mahnbescheidsantrages vom 2.1.2013 auf den 29.12.2012, weil sie neben der Verjährungsproblematik nunmehr fürchtet, die Rechtsschutzversicherung werde wegen des Eingangsdatums des Mahnbescheidsantrages die Erteilung der Deckungszusage ablehnen.
Das AG Uelzen als Antragsgegner vertritt die Ansicht, dass der Antrag erst am 2.1.2013 eingegangen sei, weil er erst an diesem Tag in den räumlichen Dienstbereich des Zentralen Mahngerichts gelangt sei. Die Nutzung des "Bring-Services" der Deutschen Post AG sei organisatorisch nicht zu beanstanden, was sich auch aus einer Stellungnahme des Niedersächsischen MJ vom 28.4.2008 ergebe. Zur Fristwahrung sei der beim Zentralen Mahngericht vorhandene "Nachtbriefkasten" zu nutzen; zudem bestehe die Möglichkeit der elektronischen Übermittlung per Online-Mahnantrag.
II. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. §§ 23 ff. EGGVG ist statthaft, insbesondere form- und fristgerecht beim OLG erhoben, vgl. § 26 EGGVG. Bei der Anbringung des Eingangsstempels handelt es sich auch um einen Justizverwaltungsakt i.S.d. § 23 Abs. 1 EGGVG (vgl. hierzu Zöller/Lückemann, ZPO, 29. Aufl., Rz. 12 zu § 23 EGGVG).
Die Antragstellerin besitzt auch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für den gestellten Antrag. Es mag zwar sein, dass über die Frage der Verjährung des Anspruchs der Antragstellerin bzw. dessen Hemmung durch rechtzeitige Stellung des Mahnantrages (§ 204 BGB) im kontradiktorischen Verfahren entschieden wird, jedoch reicht vorliegend allein die Besorgnis der Antragstellerin, die Rechtsschutzversicherung werde wegen des Datums des Eingangsstempels die Deckungszusage für einen entsprechenden Rechtsstreit nicht erteilen, aus, um ihr ein rechtliches Interesse am vorliegenden Verfahren zuzubilligen.
Der Antrag ist auch begründet. Die Anbringung des Eingangsstempels auf dem Mahnbescheidsantrag ist kein bloßer Selbstzweck oder reines Verwaltungsinternum, sondern hat unmittelbare Rechtswirkung sowohl für den Antragsteller als auch für den im Antrag bezeichneten Gegner. Denn da gem. § 167 ZPO - der im Mahnbescheidsverfahren den § 693 Abs. 2 ZPO a.F. ersetzt hat - bereits mit dem Eingang eines Antrages auf Erlass des Mahnbescheides die Verjährung des im Antrag bezeichneten Anspruches - bei Vorliegen der Voraussetzungen der Norm im Übrigen - gehemmt wird, kommt dem Eingangsstempel insoweit erhebliche Indizwirkung zu. Denn regelmäßig weist der Eingan...