Leitsatz (amtlich)
1. Vorhaltekosten für ein Reservefahrzeug sind, soweit sie im gegebenen Fall erforderlich und geeignet waren, einen Ausfallschaden zu vermeiden, ersatzfähig, soweit der Geschädigte die Reservehaltung allgemein mit Rücksicht auf fremdverschuldete Ausfälle messbar erhöht hatte und sich diese Vorsorge dann schadensmindernd ausgewirkt hat (BGH, Urteil vom 10. Januar 1978 - VI ZR 164/75, BGHZ 70, 199-205).
2. Bei Vorhaltekosten handelt es sich um tatsächlich entstandene Kosten des Geschädigten. Sie sind konkret darzulegen.
3. Die Nutzungsausfallentschädigung ist demgegenüber abstrakt (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2018 - VII ZR 285/17, BGHZ 220, 270-280).
4. Ein Anspruch auf Erstattung von Vorhaltekosten scheidet aus, wenn der Geschädigte zur Überbrückung der Reparaturzeit nicht auf seine Betriebsreserve zurückgegriffen hat. In diesem Fall hat sich Betriebsreserve nicht
Normenkette
BGB § 249; HPflG §§ 1, 13; ZPO § 529
Verfahrensgang
LG Stade (Urteil vom 26.09.2022; Aktenzeichen 2 O 111/18) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 26. September 2022 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Stade - 2 O 111/18 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil und das vorgenannte Urteil des Landgerichts Stade sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 24.283,33 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin macht als Eisenbahnverkehrsunternehmen nach einem Bahnbetriebsunfall wegen der Beschädigung zweier Doppelstock-Mittelwagen Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte als Eisenbahninfrastrukturunternehmen geltend. Unter Anrechnung der Betriebsgefahr ihres Bahnfahrzeugs in Höhe von einem Drittel und unter Berücksichtigung einer vorprozessualen Zahlung der Beklagten begehrt die Klägerin Ersatz für Reparatur- und Vorhaltekosten. Die Parteien haben erstinstanzlich zum Grund und zur Höhe gestritten.
Eine erste Entscheidung des Landgerichts (Urteil vom 9. November 2018) hat der Senat mit Urteil vom 8. Mai 2019 - 14 U 5/19 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Senatsurteil vom 8. Mai 2019 verwiesen.
Mit am 26. September 2022 verkündeten Urteil, auf das gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, des Vorbringens der Parteien im Einzelnen und der erstinstanzlichen Anträge Bezug genommen wird, hat das Landgericht nunmehr nach Beweiserhebung durch Zeugenvernehmung und Einholung von Sachverständigengutachten der Klage zu einem geringen Teil hinsichtlich der Reparaturkosten stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung führt das Landgericht insbesondere Folgendes aus:
Der Klägerin stehe ein Anspruch aus § 1 Abs. 1 HPflG zu, im Rahmen einer Abwägung nach § 13 Abs. 1, Abs. 2 HPflG treffe die Beklagte eine Haftung zu 2/3.
Im Hinblick auf Reparaturkosten unter Berücksichtigung der Mithaftung von 1/3 und der vorprozessualen Zahlung bestehe der Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.205,06 Euro.
Ersatz für Vorhaltekosten stehe der Klägerin nicht zu. Die Klägerin habe nicht nachweisen können, dass ihr durch den Vorhalt einer Betriebsreserve von zwei Zugverbänden im konkreten Schadensfall Vorhaltekosten entstanden seien. Zwar hätten die beiden Zeugen bestätigt, dass die Klägerin grundsätzlich eine Betriebsreserve vorhalte und zwar jeweils einen Zugverband für die Betriebsreserve und einen für die Instandhaltung bzw. den Reparaturfall. Der Zeuge K. habe aber erklärt, dass sich die Klägerin im vorliegenden Fall aus dem separat betriebenen Reservepool bedient habe und kein Fahrzeug aus der Betriebsreserve genommen worden sei. Nach der Beweisaufnahme stehe fest, dass die von der Klägerin vorgehaltene Betriebsreserve nicht für den streitgegenständlichen Schadensfall eingesetzt worden sei.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie weiterhin den Ausgleich von Vorhaltekosten begehrt. Zur Begründung macht sie insbesondere geltend, entgegen der Ansicht des Landgerichts komme es von vornherein nicht darauf an, ob seinerzeit tatsächlich einer der als Reserve vorgehaltenen Wagen aus der Betriebsreserve als Ersatz eingesetzt oder ob der Ausfall anderweitig aufgefangen worden sei. Es sei für die Berechnung der Entschädigung auf die entsprechenden Vorhaltekosten für das beschädigte und durch den Unfall vorübergehend nicht nutzbare Fahrzeug abzustellen.
Die Klägerin hat in der Berufungsbegründung zunächst - unter ausdrücklichem Vorbehalt einer Erweiterung der Berufung - Ausgleich von Vorhaltekosten für vier Tage je ...