Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob es sich bei der Aussage "Die Internet-Sensation: Telefonieren zum Nulltarif!" auf der Titelseite eines von einem Internet-Provider herausgegebenen Magazins um eine irreführende Werbung i.S.d. § 5 UWG n.F. handelt, weil das Telefonieren im Internet einen kostenpflichtigen Internet-Zugang voraussetzt.
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 06.05.2004; Aktenzeichen 25 O 40/04) |
Tenor
Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil des LG Hannover vom 6.5.2004 geändert. Die einstweilige Verfügung des LG vom 19.3.2004 wird aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückgewiesen.
Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Der Streitwert wird auf 100.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien sind Internet-Provider.
Die Verfügungsbeklagte (im Folgenden: Beklagte) verteilte auf der Computermesse CeBIT das von ihr vierteljährlich herausgegebene Magazin "f.de". Auf der Titelseite des Magazins heißt es zu den Themen des Hefts u.a. "Die Internet-Sensation: Telefonieren zum Nulltarif!". Unter diesen Worten ist eine Computer-Schaltfläche mit der Bezeichnung "f.iP." abgebildet. In dem Magazin befindet sich ein Artikel mit der Überschrift "Telefonieren übers Internet Die Telefon-Revolution", der wie folgt beginnt:
"Eben mal in H. anrufen und dafür keinen Cent bezahlen? Gibt's doch gar nicht. Gibt's doch! Mit f.iP. Da kann jeder ganz einfach gratis und günstig telefonieren".
An anderer Stelle des Hefts warb die Beklagte für den Internet-Einstieg mit ihren Produkten. Dort heißt es u.a. zum "f.iP.":
"Kostenloses Internet-Telefon zur einfachen Installation auf dem PC.
(Abbildung der Computer-Schaltfläche)
Das Software-Telefon f.iP. - ganz einfach günstig und gratis telefonieren."
Die Verfügungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) hat geltend gemacht, dass diese Werbung irreführend und daher wettbewerbswidrig sei. Die Webung erwecke bei den Verbrauchern den Eindruck, kostenlos telefonieren zu können. Das sei nicht der Fall, weil das Telefonieren über das Internet nur mit kostenpflichtigem DSL-Internetzugang möglich sei. Darüber hinaus fielen für Anrufe, die von dem Internetnutzer in das Telefon-Festnetz gingen, zusätzliche Entgelte von 1 Cent pro Minute an. Nach der Verkehrsauffassung sei unter dem Begriff des Telefonierens ein Telefonieren zu verstehen, sowie es jeder kenne, also das Anrufen Dritter über eine bekannte Telefonnummer. Dies sei bei den "f.iP." tatsächlich nicht möglich.
Das LG hat auf Antrag der Klägerin durch Beschluss im Wege der einstweiligen Verfügung angeordnet, dass die Beklagte bei Meidung der üblichen Ordnungsmittel es zu unterlassen hat,
im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken ihr Produkt "iP." mit den Aussagen zu bewerben:
a) "Telefonieren zum Null-Tarif"
und/oder
b) "Das Software-Telefon f.iP. - ganz einfach günstig und gratis telefonieren"
und/oder
c) "Eben mal in H. anrufen und dafür keinen Cent bezahlen? Gibt's doch gar nicht! Gibt's doch! Mit F.iP. Da kann jeder ganz einfach gratis und günstig telefonieren."
Die Beklagte ist im Widerspruchsverfahren dem Erlass der einstweiligen Verfügung entgegengetreten. Das LG hat die einstweilige Verfügung aufrecht erhalten.
Die Beklagte will mit der Berufung die Aufhebung der einstweiligen Verfügung und die Zurückweisung des auf ihren Erlass gerichteten Antrags erreichen.
II. Die Berufung ist begründet.
1. Die beanstandete Werbung ist nicht irreführend i.S.d. - auf den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch anwendbaren - § 5 UWG n.F.
Das Magazin mit der beanstandeten Werbung richtet sich an Verbraucher, die sich für das Internet interessieren. Dies ergibt sich aus dem Titel ("f.de"), der Aufmachung ("Internet für alle") und dem Inhalt (im Wesentlichen: Internetprodukte, Internetnutzung und Hardware). Zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören allerdings auch solche Verbraucher, die bislang noch keinen Internetzugang besitzen, was u.a. daraus folgt, dass auf der Titelseite mit dem "einfachen Einstieg ins Internet" geworben wird.
Für die Feststellung des Inhalts der Werbung kommt es auf das Verständnis des mit der Werbung angesprochenen durchschnittlich informierten, verständigen Verbrauchers an, der die Werbung mit einer der Situation angemessenen Aufmerksamkeit zur Kenntnis nimmt. Da es um Dienstleistungen des täglichen Bedarfs geht, kann der Senat das Verkehrsverständnis aufgrund der Lebenserfahrung ermitteln.
Ein situationsadäquat durchschnittlich aufmerksamer, informierter und verständiger Verbraucher wird durch die Werbung nicht über den Preis des Angebots getäuscht. Er wird die Werbung weder dahin verstehen, dass es bei dem Angebot um herkömmliches Telefonieren geht, noch wird er die Vorstellung haben, dass er - auch bezüglich der Kosten für den Internetzugang - vollkommen unentgeltlich telefonieren kann, oder dass er ohne besondere Gebühren von dem Internet-Anschluss eine Verbindung in das Telefonnetz herstellen kann.
Für einen am Internet interessierten durchschnittlich informierten...