Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitliche Anwendung des 10 %igen Gebührenabschlags für Rechtsanwälte
Normenkette
Einigungsvertrag Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschn. III § Nr. 26a S. 2; Ermäßigungssatz-Anpassungsverordnung § 1
Verfahrensgang
AG Dresden (Beschluss vom 25.11.2002; Aktenzeichen 305 F 1694/00) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde, des Antragstellers gegen den Beschluss des AG – FamG – Dresden vom 25.11.2002 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.
3. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 89,69 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die nach § 104 Abs. 3 ZPO i.V.m. §§ 567 ff. ZPO zulässige, insb. die Erwachsenheitssumme des § 567 Abs. 2 S. 2 ZPO übersteigende Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das AG hat zu Recht eine höhere Kostenfestsetzung zugunsten des Antragstellers abgelehnt.
Der Antragsteller macht geltend, die Kostenfestsetzung sei im Hinblick auf die Tatsache, dass er einer Sozietät angehöre, die ihren Kanzleisitz sowohl in den alten Bundesländern als auch im Beitrittsgebiet habe, ohne den sich aus Anl. I Kap. III Sachgeb. A Abschn. III Nr. 26a S. 1 des Einigungsvertrages vom 31.8.1990 (BGBl. II 1990, 889 [936]) i.V.m. § 1 der Ermäßigungssatz-Anpassungsverordnung vom 15.4.1996 (BGBl. I 1996, 604) ergebenden Gebührenabschlag von 10 % vorzunehmen. Auf die von ihm aufgeworfene Frage, ob eine derartige Gebührenermäßigung auch bei Rechtsanwälten in Betracht komme, deren Kanzleisitz zumindest teilweise im alten Bundesgebiet liegt, kommt es jedoch – wie im angefochtenen Beschluss zutreffend festgestellt wird – nicht an. Nach S. 2 der eingangs zitierten Vorschrift des Einigungsvertrages ermäßigen sich die Gebühren nämlich in gleicher Weise, wenn ein Rechtsanwalt vor Gerichten oder Behörden, die ihren Sitz in dem in Art. 1 Abs. 1 des Einigungsvertrages genannten Gebiet haben, im Auftrag eines Beteiligten tätig wird, der seinen Wohnsitz im Beitrittsgebiet hat. Diese Einschränkung gilt gleichermaßen für Rechtsanwälte mit Kanzleisitz in den alten wie in den neuen Bundesländern. Auf ihrer Grundlage ist im vorliegenden Fall bei einem Wohnsitz des Klägers in …/Sachsen und einer Tätigkeit des Rechtsanwalts vor dem AG Dresden eine Gebührenermäßigung allein auf der Grundlage von Nr. 26a S. 2 des Einigungsvertrages gerechtfertigt.
Zwar hat das BVerfG zwischenzeitlich mit Urt. v. 28.1.2003 (BVerfG v. 28.1.2003 – 1 BvR 487/01, MDR 2003, 353), Anl. I Kap. III Sachgeb. A Abschn. III Nr. 26a S. 1 des Einigungsvertrages für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt. Es hat jedoch zugleich dem Gesetzgeber aufgegeben, längstens bis zum 31.12.2003 die gesamte Vorschrift einschl. S. 2 zu überprüfen und ihre Vereinbarkeit mit Art. III Abs. 1 GG neu zu bedenken. Offen geblieben ist hierbei, ob auch die Regelung in S. 2 eine Ungleichbehandlung i.S.d. Art. 3 Abs. 1 GG zu Lasten der im Beitrittsgebiet tätigen Rechtsanwälte enthält. Das BVerfG hat in der o.a. Entscheidung die Unvereinbarkeit von Nr. 26a S. 1 Einigungsvertrag damit begründet, durch den Wegfall des bundesweiten Lokalisationsprinzips bei den LG ab dem 1.1.2000 erfasse diese Regelung nunmehr auch das Auftreten von Rechtsanwälten mit Kanzleisitz im Beitrittsgebiet in den alten Ländern, wofür sie ursprünglich nicht gedacht gewesen sei. Hierdurch entfalle deren anfängliche Rechtfertigung, durch ermäßigte Gebühren für Rechtsanwälte mit Kanzleisitz in den neuen Ländern den wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen im Beitrittsgebiet durch eine abgesenkte Vergütung Rechnung zu tragen. Diese auch für Nr. 26a S. 2 Einigungsvertrag maßgeblichen sozialen Erwägungen des Gesetzgebers werden aber durch die Erstreckung der Postulationsfähigkeit von Rechtsanwälten auf Gerichte im gesamten Bundesgebiet im Unterschied zu S. 1 nicht berührt. Denn diese Gebührenermäßigung betrifft unterschiedslos Rechtsanwälte mit Kanzleisitz in den alten und in den neuen Ländern. Entscheidend ist allein der Wohnsitz des Auftraggebers. Eine unterschiedliche rechtliche Behandlung der Rechtsanwälte in den alten und neuen Ländern liegt hierin nicht; allerdings werden durch Nr. 26a S. 2 Einigungsvertrag Rechtsanwälte mit Kanzleisitz im Beitrittsgebiet, die den überwiegenden Teil der dort ansässigen Mandanten vertreten, im Verhältnis zu anderen Rechtsanwälten, die ggü. ihrer zumeist im Altbundesgebiet ansässigen Mandantschaft höhere Beträge abrechnen können, wirtschaftlich benachteiligt. Die für diese Benachteiligung maßgeblichen sozialen Erwägungen des Gesetzgebers, der auf die niedrigeren Einkommensverhältnisse in den neuen Ländern Rücksicht nehmen wollte (vgl. BT-Drucks. 11/7817, 29 Nr. 19–27), haben aber unverändert Bestand. Ob sie sich unter Berücksichtigung der Tatsache, dass eine derartige Gebührenermäßigung im System der BRAGO einen Fremdkörper darstellt, mit der Pauschalierungsbefugnis des Gesetzgebers auch heute noch rechtfertigen lassen können, bedarf hier aber keiner Entscheidung, da der Gesetzgeber ohnehin durch den Auftrag des BVerfG gehalten i...