Leitsatz (amtlich)
Scheitert die Übertragung eines fristgebundenen Schriftsatzes per Telefax, ist der Rechtsanwalt verpflichtet, den Schriftsatz über das besondere elektronische Anwaltspostfach zu versenden. Das Unterlassen ist der vertretenen Partei nur dann nicht als schuldhaftes Versäumnis zuzurechnen, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die Übermittlung aus dem beA nicht möglich war.
Verfahrensgang
LG Görlitz (Aktenzeichen 1 O 480/18) |
Tenor
I. Der Antrag des Beklagten, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren, wird zurückgewiesen.
II. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Görlitz vom 14. August 2019 wird als unzulässig verworfen.
III. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.858,09 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin - Witwe des am 25. August 2018 verstorbenen H... S... (Erblasser) - begehrt, die Zwangsvollstreckung aus dem zu Lasten des Erblassers ergangenen Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Sächsischen Finanzgerichts vom 19. August 2015 für unzulässig zu erklären, ferner die Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Titels, die Erteilung einer Löschungsbewilligung für eine auf Veranlassung des Beklagten eingetragene Zwangssicherungshypothek, die Feststellung, dass die Eintragung dieser Zwangshypothek unzulässig war, die Anordnung der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Titel bis zur Rechtskraft des in vorliegender Sache ergangenen Urteils und schließlich die Feststellung, dass die Klageforderungen auf einer durch den Beklagten begangenen vorsätzlichen unerlaubten Handlung beruhen.
Mit Versäumnisurteil des Landgerichts Görlitz vom 09. Juli 2019 wurde der Beklagte antragsgemäß verurteilt. Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 26. Juli 2019 beantragte der Beklagte unter anderem Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wegen krankheitsbedingter Verhinderung einer Verteidigungsanzeige sowie Aufhebung des Versäumnisurteils vom 09. Juli 2019. Das Landgericht Görlitz hat mit Urteil vom 14. August 2019 den Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten zurückgewiesen und den Einspruch des Beklagten als unzulässig verworfen. Das Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 20. August 2019 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 19. September 2019, am selben Tag beim Oberlandesgericht Dresden eingegangen, hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Görlitz vom 14. August 2019 eingelegt.
Mit Schriftsätzen vom 21. Oktober 2019 und vom 23. Oktober 2019, beide beim Oberlandesgericht eingegangen am 24. Oktober 2019, hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist und Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat beantragt. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages hat er vorgetragen, dass er am 21. Oktober 2019 in der Zeit von 17.50 Uhr bis 20.24 Uhr mehrfach versucht habe, dem Oberlandesgericht Dresden ein Telefax mit dem Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zu übersenden. Am Folgetag sei ihm telefonisch bestätigt worden, dass es aufgrund einer Provider-Umstellung Probleme beim Oberlandesgericht mit dem Empfang von Faxen gegeben habe. Ein technisches Problem auf Seiten der Justiz dürfe jedoch nicht dem Beklagten angelastet werden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf den Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 23. Oktober 2019 nebst Anlagen Bezug genommen.
II. Dem Beklagten war die begehrte Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu versagen, weil er nicht glaubhaft gemacht hat, ohne Verschulden an der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist gehindert gewesen zu sein (§ 233 ZPO).
Dem vom Senat beigezogenen Faxauftragsprotokoll/Faxjournal der Telefaxnummern des Oberlandesgerichts mit den Endziffern - 1499 und - 1529 ist bereits keine durchgängige Störung der Empfangsgeräte zu entnehmen. Beide Journale dokumentieren zwar über den 21. Oktober 2019 hinaus etliche vergebliche Sendeversuche, weisen daneben aber auch zahlreiche "OK-Vermerke" auf. Dies deutet darauf hin, dass die Ursache der Störung entweder im Bereich des Sendegeräts liegt oder mit Problemen einzelner Faxgeräte verschiedener Hersteller nach der Umstellung des Sächsischen Verwaltungsnetzes auf VoiceOver-IP (VoIP) zusammenhängt, bei denen es sich nicht um ein Leitungs-, sondern um ein Kompatibilitätsproblem handelt, über das die Rechtsanwaltskammer Sachsen ihre Mitglieder bereits am 02. August 2019 informiert hat und auf das sich die Rechtsanwälte in Sachsen in der überwiegenden Mehrzahl zwischenzeitlich auch eingestellt haben (https://www.rak-sachsen.de/probleme-bei-versand-und-empfang-von-faxnachrichten-mit-gerichten-in-sachsen). Ob Übermittlungsstörungen, die darauf beruhen, dass der Rechtsanwalt ein Telefaxgerät verwendet, das mit der gängigen VoiP-Technik nicht kompatibel ist, de...