Leitsatz (amtlich)
1. Die für eine Geldentschädigung anzusetzende Mindestuntergrenze beträgt regelmäßig 2.500,00 EUR.
2. Die bloß abstrakte Möglichkeit, dass es in der Zukunft aufgrund einer Internetveröffentlichung zu einer Beeinträchtigung von Persönlichkeitsrechten kommen kann, reicht für die Zubilligung einer Geldentschädigung nicht aus.
3. Die nach den Umständen erforderliche Sorgfalt im Sinne des § 5 SächsPresseG kann im Einzelfall auch bei der ungeprüften Übernahme von Informationen aus dem Internetauftritt eines Dritten gewahrt sein.
Verfahrensgang
LG Dresden (Urteil vom 27.07.2017; Aktenzeichen 1a O 829/16) |
Tenor
I. Dem bedürftigen Kläger wird für das Berufungsverfahren ratenlose Prozesskostenhilfe für die angekündigten Anträge unter Beiordnung von Rechtsanwalt M..., D... bewilligt.
II. Der Senat unterbreitet den Parteien den nachfolgenden Vergleichsvorschlag:
1. Die Beklagte verpflichtet sich bei Zahlung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom zuständigen Landgericht festzusetzenden angemessenen Vertragsstrafe es zu unterlassen, die im Urteil des Landgerichts vom 27.7.2017 auf S. 4 enthaltene Abbildung ohne Zustimmung des Klägers im Internet öffentlich zur Schau zu stellen;
2. Die Beklagte zahlt an den Kläger ohne Anerkennung einer Rechtspflicht einen Betrag von 1500,- EUR
3. Mit der Zahlung dieses Betrages sind alle Ansprüche des Klägers aus der streitgegenständlichen Zurschaustellung seines Bildnisses sowie die begleitende Berichterstattung durch die Beklagte und deren journalistische Mitarbeiter umfassend abgegolten.
4. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
III. Die Parteien können die Annahme des o.a. Vergleichsvorschlages innerhalb von drei Wochen ab Zugang erklären. Vorsorglich wird um Mitteilung innerhalb der o.a. Frist gebeten, ob Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gem. § 128 Abs. 2 ZPO besteht.
Gründe
Die beabsichtigte Berufung hat hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne der §§ 114, 118 ZPO.
1. Der Kläger kann zum einen Unterlassung der Veröffentlichung seines Bildnisses im Internet verlangen, §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog und § 22 f. KUG sowie Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG
a) Nach § 22 KUG dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.
Die Auffassung der Beklagten, infolge der "Freigabe auf der Internetseite des D...krankenhauses" liege bereits keine Verbreitung oder öffentliche Zurschaustellung im Sinne des § 22 KUG vor, teilt der Senat nicht. Unter Zurschaustellung ist jede öffentliche Sichtbarmachung zu verstehen, sofern sie gegenüber einem ausgedehnten Personenkreis erfolgt, der weder individuell noch der Zahl nach beschränkt. ist (Staudinger/Hager (2017) C. Das Persönlichkeitsrecht, Rn. C 157). Für einen Unterlassungsanspruch wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten ist es auch unerheblich, ob sich die Beklagte gegenüber Ansprüchen des Fotografen nach dem UrhG auf die Schrankenregelung des § 50 UhrG berufen könnte.
Die Einwilligung gilt im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete dafür, dass er sich abbilden ließ, eine Entlohnung erhielt. Letzteres ist hier nicht der Fall. Eine Einwilligung der Erziehungsberechtigten des Klägers in die Veröffentlichung seines Bildnisses, die ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen kann (BGH GRUR 2005, 74, 75 - Charlotte Casiraghi II), liegt ebenfalls nicht vor. Anders als das Landgericht angenommen hat, enthält die gegenüber dem D...krankenhaus abgegebene Erklärung eine solche Einwilligung nicht. Nach ihrem Wortlaut ist sie auf die Veröffentlichung im Rahmen der Online-Galerie beschränkt. Eine Auslegung nach Sinn und Zweck am Maßstab der §§ 133, 157 BGB führt ebenfalls nicht dazu, dass auch die Zurschaustellung des Bildes im Internet durch Dritte hiervon umfasst wäre. Die Einwilligung nach § 22 KUG ist regelmäßig nicht schrankenlos erklärt, vielmehr im Zweifel eng auszulegen. (Staudinger/Hager (2017) C. Das Persönlichkeitsrecht, Rn. C 180). Sie deckt, wenn sie aus einem konkreten Anlass heraus gegeben wurde, nur den mit der Erteilung verfolgten Zweck, nicht hingegen spätere Veröffentlichungen (allg. Auffassung, vgl. nur BGHZ 20, 345, 348; BGH NJW 1979, 2203; 1992, 2084; 1996, 593, 594; 2005, 56, 57; NJW-RR 1995, 789; GRUR 1962, 211, 212; OLG Frankfurt NJW-RR 2003, 553, 554; KG NJW-RR 1999, 1703; OLG Karlsruhe NJW-RR 2006, 1198, 1199; KG AfP 1999, 377.). Generell ist mit der Einwilligung nicht ein Einverständnis zur beliebigen Publikation verbunden (BGH NJW 2005, 56, 57). Ebenso wenig wie ein Berechtigter allein durch das Einstellen einer Fotografie ins Internet anderen Internetnutzern ein urheberrechtliches Nutzungsrecht an der Fotografie oder einen schuldrechtlichen Anspruch auf Nutzung der Fotografie einräumt (BGH GRUR 2012, 602 Tz. 15 - Vorschaubilder II), kann hiernach bei einer auf ein einziges Portal beschränkten Einwilligung angenommen werden, dass die Eltern des Klägers hierdurch jegliche Verfü...