Leitsatz (amtlich)
Eine Polizeibeamtin, die im Rahmen ihres Studium für einen Aufstieg in den gehobenen Polizeidienst durch einen Kommilitonen in den Besitz noch geheimer Prüfungsaufgaben für eine bevorstehende Modulprüfung gelangt und diese Aufgaben anderen Kursteilnehmern mitteilt, macht sich nicht wegen einer Verletzung des Dienstgeheimnisses strafbar, weil ihr das Geheimnis nicht als Amtsträgerin bekannt geworden ist.
Verfahrensgang
AG Weißwasser (Entscheidung vom 03.02.2021; Aktenzeichen 2 Ds 600 Js 28541/18) |
Tenor
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Weißwasser vom 3. Februar 2021 aufgehoben.
2. Die Angeklagte wird auf Kosten der Staatskasse, die auch ihre notwendigen Auslagen zu tragen hat,
freigesprochen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Weißwasser hat die Angeklagte wegen "Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht" zu einer Geldstrafe von zehn Tagessätzen zu je 60,00 EUR verurteilt.
Dagegen richtet sich die Revision der Angeklagten, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.
Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, die Revision als unzulässig, hilfsweise als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Freisprechung der Angeklagten.
1.
Die Revision ist entgegen der Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft als Sprungrevision gemäß § 335 Abs. 1 StPO zulässig, obwohl die Angeklagte lediglich zu einer Geldstrafe von zehn Tagessätzen verurteilt worden ist und eine Berufung deshalb gemäß § 313 StPO der Annahme durch das Berufungsgericht bedurft hätte. Nach herrschender Rechtsprechung und entgegen der überwiegenden Meinung in der Literatur kann auch in einem Fall der Annahmeberufung ein Urteil des Amtsgerichts mit der Sprungrevision grundsätzlich uneingeschränkt angefochten werden. Es besteht nach der Gesetzgebungsgeschichte kein Anhalt dafür, dass dem Begriff "zulässig" in § 312 StPO durch die Einfügung des § 313 StPO eine über die Bedeutung "statthaft" hinausgehende Bedeutung zukommen sollte (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 31. August 2015 - 2 OLG 21 Ss 210/15 -, juris m.w.N.).
2.
Die Revision ist auch begründet. Das angefochtene Urteil hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a)
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts war die Angeklagte - eine Polizei... - im ...... 20xx Kurssprecherin des Kurses yy/y an der Hochschule ....... Durch das Studium wollte die Angeklagte in den gehobenen Dienst aufsteigen. Um den 08. ...... 20xx erhielten sowohl die Angeklagte als auch die Sprecher der Parallelkurse von dem Kurssprecher des Kurses yy/x die Prüfungsaufgaben für die am 15. ...... 20xx vorgesehene Modulprüfung "XXX". Dieser hatte die Aufgaben seinerseits von einem Mitarbeiter der Hochschule erhalten, der aufgrund seiner Stellung und Tätigkeit Zugang zu den Prüfungsunterlagen hatte. Der Angeklagten und den weiteren Empfängern war es überlassen, was mit den Originalaufgaben geschehen sollte. Am 12. ...... 20xx verlas die Angeklagte vor den anwesenden Teilnehmern ihres Kurses yy/y die erhaltenen Aufgaben für die bevorstehende Modulprüfung.
b)
Diese Feststellungen tragen einen Schuldspruch wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses gemäß § 353b Abs. 1 Satz 1 StGB nicht.
Die Prüfungsaufgaben, die die Angeklagte erhalten hat, stellen ein Geheimnis im Sinne des § 353b Abs. 1 Satz 1 StGB dar. Denn bis zum Prüfungstermin sind Prüfungsaufgaben nur einem beschränkten Kreis von Personen bekannt und bedürfen ihrer Natur nach der Geheimhaltung (vgl. RGSt 74, 110; BGHSt 11, 401; MK-Puschke, StGB 3. Aufl. Rdnr. 20; NK-Kuhlen, StGB 5. Aufl. § 353b Rdnr. 13 m.w.N.).
Der Angeklagten ist dieses Geheimnis jedoch nicht als Amtsträgerin im Sinne des § 353b Abs. 1 Satz 1 StGB anvertraut oder sonst bekanntgeworden.
An einem "Anvertrauen" fehlt es bereits deshalb, weil es der Angeklagten überlassen war, was mit den ihr übermittelten Aufgaben geschehen sollte. Denn unter "Anvertrauen" ist nur die Mitteilung zu verstehen, bei der die Geheimhaltung verlangt oder stillschweigend erwartet wird (RGSt 66, 273). Vor diesem Hintergrund ist das Amtsgericht deshalb zutreffend davon ausgegangen, dass der Angeklagten das Geheimnis "sonst bekanntgeworden" ist.
Die getroffenen Feststellungen lassen jedoch nicht erkennen, dass der Angeklagten die Prüfungsaufgaben auch "als Amtsträgerin" bekanntgeworden sind.
Hierzu muss das Geheimnis dem Amtsträger im inneren Zusammenhang mit seiner Diensttätigkeit bekannt geworden sein (BGH, Urteil vom 16. März 2017 - 4 StR 545/16 -, juris m.w.N.). Dieser innere Zusammenhang ist zu bejahen, wenn zwischen dem Bekanntwerden des Geheimnisses und der Eigenschaft des Täters als Amtsträger eine mehr als nur zufällige - in der Literatur als "Amtskausalität" bezeichnete (vgl. LK-Vormbaum, StGB 12. Aufl. § 353b Rdnr. 15) - Verbindung besteht. Daraus ergibt sich zwar nicht die Notwendigkeit einer unmittelbaren Verbindung zwischen der Erkenntniserlangung und der beruflichen Tätigkei...