Leitsatz (amtlich)

Ein Versicherungsmakler ist ohne besondere Gründe nicht gehalten, seinem Kunden den Abschluss einer Risikolebensversicherung anzuraten. Kommt es nicht zum Abschluss und wurde das Gespräch entgegen § 61 Abs. 1 VVG nicht dokumentiert, führt dies nicht zu einer Beweislastumkehr dergestalt, dass der Versicherungsmakler sämtliche Behauptungen des potentiellen Kunden zum Gesprächsinhalt widerlegen müsste.

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Aktenzeichen 8 O 1530/21)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 21.12.2022 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und des Berufungsverfahrens zu tragen.

4. Das Urteil und, soweit es aufrechterhalten bleibt, das landgerichtliche Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 500.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen einer klägerseits als fehlerhaft erachteten Beratung über den Abschluss einer Risikolebensversicherung.

Im Jahre 2017 schlossen die Klägerin und ihr später verstorbener Ehegatte zur Regelung ihrer gemeinsamen Zusammenarbeit einen schriftlichen Maklervertrag über Versicherungsleistungen mit dem Beklagten. Der Beklagte vermittelte und verwaltete in der Folgezeit mehrere Versicherungsverträge der Eheleute. Im Mai 2020 versandte der Beklagte einen als "Jahrescheck 2020" betitelten Erfassungsbogen an die Eheleute, in welchem diese ihre etwaigen weiteren Beratungswünsche angeben konnten. Die Eheleute machten hiervon Gebrauch und gaben dabei an, Beratungsbedarf bestehe in den Bereichen "Planung der Altersversorgung", "Steuern sparen", "Ausbildungssparen für Kinder", "Berufsunfähigkeits-Absicherung"; "Hinterbliebenen/Familien-Absicherung", "Lebens- und Rentenversicherungen" und "Unfallversicherung".

Es kam sodann am 16.07.2020 zu einem persönlichen Beratungsgespräch in den Wohnräumen der Eheleute. In diesem Zusammenhang erneuerten die Parteien zunächst den bestehenden Maklervertrag. Festgelegt wurde dabei auch, dass sich der Maklervertrag u.a. (neben Haftpflicht, Hausrat etc.) auch auf die Sparten "Leben/ Rente/ BU/ Pflege" beziehe. Der Ehemann der Klägerin war zum damaligen Zeitpunkt seit mehreren Jahren Hauptverdiener in der Ehe, während sich die Klägerin vorwiegend der Erziehung der beiden 2017 und 2018 geborenen Kinder widmete. Für seine Tätigkeit als Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin erhielt der Ehemann der Klägerin in den letzten Jahren ein Jahresbruttogehalt in Höhe von ca. 75.000 EUR. Außerdem bestand damals noch eine offene Darlehensverbindlichkeit in Höhe von ca. 20.000 EUR aus dem Erwerb eines Kraftfahrzeugs.

Inhalt des Gesprächs war, neben einer Berufsunfähigkeitsversicherung auch für die Klägerin, der Abschluss einer Risikolebensversicherung für den Fall des Todes des Hauptverdieners. Die Einzelheiten des nicht dokumentierten Beratungsgesprächs sind zwischen den Parteien zum Teil streitig. Insoweit wird auf den Inhalt der jeweiligen informatorischen Anhörung vor dem Landgericht im Protokoll vom 01.09.2022 verwiesen.

Am 05.12.2020 verstarb der Ehemann der Klägerin im Alter von 39 Jahren unvermittelt an einem durch Streptokokken induzierten Toxic-Schock-Syndrom.

Die Klägerin stellte fest, dass die Unfallversicherung keine Todesfallabsicherung beinhaltete und das bislang angesparte Guthaben der Rentenversicherungen nicht ausreichte, um hieraus im Todesfall eine Rente zu bilden. Sie konfrontierte den Beklagten in einem gemeinsamen Gespräch am 10.12.2020 mit diesen Umständen. Der Beklagte wies in diesem Gespräch eine Schadensersatzpflicht von sich.

Mit anwaltlichem Schreiben und erfolgloser Fristsetzung zum 10.05.2021 forderte die Klägerin den Beklagten auf, 500.000 EUR Schadensersatz zu leisten; diese Summe hätte sie für den Todesfall abgesichert und er wäre von der Lebensversicherung ausgezahlt worden (Quasideckung).

Der Beklagte reagierte persönlich mit Schreiben vom 10.05.2021, wies die Forderung zurück und führte aus, dass die Eheleute keinen Anlass zum Abschluss der Versicherung gesehen hätten, weil kein Eigenheimerwerb anstand bzw. die Klägerin angegeben habe, nötigenfalls selbst wieder arbeiten zu können.

Mit ihrer Klage machte die Klägerin vor dem Landgericht geltend, dass sich ein Anspruch aus § 63 VVG, hilfsweise aus § 280 BGB ergebe und, soweit sie nicht aus eigenem Recht über einen solchen Anspruch verfügen sollte, ihr dieser hilfsweise auch als Alleinerbin ihres verstorbenen Ehemanns nach §§ 63 VVG, 1922 BGB zustehe. Als Sachwalter des Versicherungsnehmers treffe den Versicherungsmakler eine weitgehende Verpflichtung zur...

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