Leitsatz (amtlich)
Die erwerbstätigen sorgeberechtigten Eltern sind nicht geschützte Dritte der Amtspflicht auf Verschaffung eines Platzes in einer Kindertagesstätte. Im Übrigen wäre der Verdienstausfall der Eltern bei Verletzung der Amtspflicht auf Verschaffung eines Platzes in einer Kindertagesstätte auch nicht vom Schutzzweck der Norm umfasst.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Urteil vom 02.02.2015; Aktenzeichen 07 O 1455/14) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil das LG Leipzig vom 02.02.2015 - Az.: 7 O 1455/14 - abgeändert: Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 2.182,20 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz, weil ihr die Beklagte für ihren am ... 2013 geborenen Sohn T. M. am 16.01.2014 keinen Platz in einer Kindertageseinrichtung zur Verfügung stellte.
Die Klägerin ist der Meinung, die Beklagte hafte ihr wegen Amtspflichtverletzung nach § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG auf Schadensersatz für entgangenen Verdienst sowie Beiträge zum Versorgungswerk ... sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten.
Die Klägerin hat nach der Geburt ihres Sohnes T. am ... 2013 für 12 Monate Elternzeit in Anspruch genommen.
Sie behauptet, sie sei vor der Geburt ihres Sohnes und auch nach der Elternzeit beruflich als angestellte Architektin tätig gewesen. Sie habe beabsichtigt, ihren Sohn ab 16.01.2014 in einer Kinderkrippe unterzubringen und ihre Arbeit wieder aufzunehmen. Da ihr von der Beklagten erstmals mit Schreiben vom 16.01.2014, jedoch erst zum 01.04.2014, ein Platz in einer Kindertagesstätte zur Verfügung gestellt worden war, obwohl sie und der Vater des Kindes vom 28.04.2013 an fortlaufend ihren Bedarf für einen Kinderbetreuungsplatz bei der Beklagten geltend gemacht hatten, habe die Elternzeit für den Zeitraum vom 16.01.2014 bis 28.02.2014 verlängert werden müssen. Erst zum 01.03.2014 hätten sie und der Vater des Kindes aufgrund Eigeninitiative einen Betreuungsplatz in einer Kindertagesstätte finden können. Ihre Tätigkeit habe sie deshalb erst zum 17.03.2014 wieder aufnehmen können.
Wegen der Berechnung der Schadensersatzforderung (entgangener Verdienst, entgangene Beiträge zum Versorgungswerk und vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten) wird insbesondere auf die Klageschrift und die Replik verwiesen. Mit Schreiben der jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin wurde ihr Anspruch am 11.03.2014 gegenüber der Beklagten angemeldet.
Die Klägerin meint, ihr stehe ein Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfalls einschließlich der entgangenen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile zum berufsständischen Versorgungswerk zu.
Verletze jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so habe er dem Dritten den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Beklagte sei örtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe, die Mitarbeiter des Jugendamtes handelten bei der Bearbeitung und Entscheidung über Betreuungsanträge in Ausübung eines öffentlichen Amtes. Gemäß § 24 Abs. 2 SGB VIII habe ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet habe, bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in einer Kindertagespflege. In die sich aus dem Rechtsanspruch ergebende Amtspflicht seien auch die sorgeberechtigten Eltern einbezogen. Im Rahmen eines Amtshaftungsanspruchs sei der Begriff des Dritten weit gefasst. Abzustellen sei insoweit auf den Schutzzweck der verletzten Norm. Bei einer Zusammenschau der Vorschriften des SGB VIII zeige sich, dass auch die Interessen der Eltern in die Förderungsgrundsätze mit einbezogen werden. Dies folge auch schon aus der Regelung von § 22 Abs. 2 Nr. 2, 3 SGB VIII. Zudem lasse auch § 80 Abs. 2 SGB VIII erkennen, dass auf die Interessen der Erziehungsberechtigten und Familien abgestellt werde. Aus dem Vorliegen einer Amtspflichtverletzung ergebe sich grundsätzlich unmittelbar das Verschulden. Der durch die Amtspflichtverletzung entstandene Schaden sei zu ersetzen, maßgebend sei, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Handeln genommen hätten. Danach ergebe sich, dass die Klägerin nach Ende ihrer einjährigen Elternzeit am 16.01.2014 ihre Tätigkeit als angestellte Architektin wieder aufgenommen hätte.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.588,70 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 08.07.2014 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint, die Klägerin habe schon kein konkretes amtspflichtverletzendes Verhalten und keinen Amtswalter, gegen den sich der Ansp...