Leitsatz (amtlich)
1. Befindet sich ein Unternehmen nicht nur in der Abwicklung, sondern betreibt es auch kein operatives Geschäft mehr, so kann als der für die Barabfindung maßgebliche Unternehmenswert der Liquidationswert angesetzt werden.
2. Bei der Bemessung der Barabfindung nach § 327a AktG kann eine Abfindungsoption aus einem vorangegangenen und zwischenzeitlich beendeten Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag weder unmittelbar noch mittelbar Berücksichtigung finden, da weder die Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags noch der Verlust der Aktionärsstellung infolge des Squeeze-out zum Erlöschen des Abfindungsrechts führt. Als schuldrechtlicher Anspruch auf der Grundlage des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags besteht er neben dem Barabfindungsanspruch bis zum Ende der Annahmefrist des § 305 Abs. 4 Satz 3 AktG fort.
3. Entscheiden sich die abfindungsberechtigten ausgeschiedenen Minderheitsaktionäre nach Abschluss des vertragsüberdauernden Spruchverfahrens über die unternehmensvertragliche Abfindung für diese, so müssen sie sich die ihnen nach § 327a AktG gewährte Barabfindung anrechnen lassen.
Normenkette
GG Art. 14; AktG § 305 Abs. 4 S. 3, § 327a Abs. 1 S. 1, § 327b Abs. 1 S. 1, § 327e Abs. 3
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Aktenzeichen 40 O 295/03 AktE) |
Tenor
Die sofortigen Beschwerden der Antragstellerinnen zu 1) und 5) werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller sowie die Vergütung und Auslagen des gemeinsamen Vertreters der außenstehenden Aktionäre hat die Antragsgegnerin zu tragen.
Der Geschäftswert wird für die Beschwerdeinstanz auf 200.000 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die Antragsteller sind frühere (Minderheits-)Aktionäre der D. AG i.A., deren Aktien durch Beschluss der Hauptversammlung vom 18.3.2003 auf die Antragsgegnerin - die seinerzeitige Hauptaktionärin - gegen Gewährung einer Barabfindung i.H.v. 101 EUR/Aktie übertragen worden sind (so gen. Squeeze-out).
Die im Jahre 1898 gegründete D. AG beschäftigte sich bis zum Jahre 1999 mit der Herstellung und dem Vertrieb von schienengebundenen Fahrzeugen und Maschinen sowie Teilen. Seit Frühjahr 1994 war die D. AG über einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag an die S. Schienenfahrzeug Gruppe GmbH und Co KG, E., (nach deren Anwachsung S. AG (Antragsgegnerin)) gebunden, der zum Ablauf des 31.5.2000 endete. Die Angemessenheit der Höhe der damals angebotenen Ausgleichszahlung und der Abfindung i.H.v. 381,50 DM (entspricht 195,06 EUR) wird in einem bei dem LG Düsseldorf anhängigen Spruchstellenverfahren - 31 O 90/95 - überprüft.
Mit Vertrag vom 1.4.1999 veräußerte die D. AG ihr operatives Geschäft an die S. D. Schienenfahrzeuge GmbH, eine 100-prozentige Tochter der Antragsgegnerin. Der Gegenstand ihres Unternehmens wurde geändert in: "... die Verwaltung des eigenen Vermögens. Die Gesellschaft kann sich an einem gleichartigen oder ähnlichen Unternehmen beteiligen sowie den Betrieb von Unternehmungen, Handelsgeschäften und Anlagen, die mit diesem Bereich zusammenhängen, übernehmen. Die Gesellschaft ist auch berechtigt, alle Maßnahmen zu ergreifen und alle Geschäfte zu machen, die zur Erreichung oder Förderung der Zwecke der Gesellschaft nützlich und angemessen erscheinen."
Seit dem 1.6.2000 befand sich die D. AG gemäß Beschluss der Hauptversammlung vom 31.1.2000 in Abwicklung. Außer Finanzanlagen hatte die Gesellschaft keine eigenen Vermögenswerte. Ihr Grundkapital betrug 11.536.023,07 EUR, aufgeteilt in 451.250 Aktien ohne Nennbetrag.
Unter dem 22.11.2002 verlangte die Antragsgegnerin - Hauptaktionärin der D. AG mit 446.675 Stück Aktien (rund 99 %) -, dass die nächste Hauptversammlung der Gesellschaft die Übertragung der Aktien aller übrigen Aktionäre der Gesellschaft auf sie gegen Gewährung einer angemessenen Abfindung beschließe. Hintergrund dieser Strukturmaßnahme war der Umstand, dass sich die geplante Abwicklung der D. AG mit dem Ziel einer Verteilung des Gesellschaftsvermögens an die Aktionäre angesichts offener Fragen im Zusammenhang mit Rückhaftungsansprüchen des Pensionssicherungsvereins aus Pensionsverbindlichkeiten pp. als schwierig erwiesen hatte. Mit dem Squeeze-out wollte die Antragsgegnerin die Finanzanlagen der D. AG schnell auskehren können.
Mit Beschluss vom 9.12.2002 bestellte das LG Düsseldorf die S. & Partner oHG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, H., zum sachverständigen Prüfer der Angemessenheit der Barabfindung. Diese ist in ihrem Bericht vom 31.1.2003 zu dem Ergebnis gelangt, dass die von der Hauptaktionärin festgelegte Barabfindung der Minderheitsaktionäre i.H.v. 101 EUR je Aktie angemessen ist. In der Hauptversammlung vom 18.3.2003 ist die Übertragung entsprechend dem Verlangen der Hauptaktionärin - der Antragsgegnerin - beschlossen worden.
Die Übertragung wurde am 23.7.2003 in das Handelsregister eingetragen und am 27.8.2003 im Bundesanzeiger veröffentlicht. In der Bekanntmachung heißt es u.a.: "Der Übertragungsbeschluss wurde ...