Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Vergütungsansprüchen des Nachlasspflegers - Bestätigung und Fortschreibung der vom Senat in ständiger Rechtsprechung (z.B. FG Prax 2013, 69) hierzu vertretenen Grundsätze (hier für den Fall eines teilmittellosen Nachlasses).
2. Reicht der Nachlass zur vollständigen Befriedigung aller geleisteten Stunden des Nachlasspflegers nicht aus (teilmittelloser Nachlass), so haftet der Erbe nicht unbeschränkt, sondern nur mit dem Nachlass und besteht - soweit der Nachlass vermögend ist - ein Vergütungsanspruch gegen den Nachlass und für die verbliebenen Stunden ein Vergütungsanspruch nach den niedrigeren Stundensätzen des § 3 VBVG gegen die Staatskasse.
3. Hat das Nachlassgericht nicht berücksichtigt, dass in einem solchen Fall zwei unterschiedliche Verfahrensgegenstände vorliegen und (unzutreffend) nur über einen Anspruch des Nachlasspflegers gegen den Nachlass nach dem höheren Vergütungssatz, nicht aber über seinen - als Ergebnis einer Auslegung ebenfalls als erhoben anzusehenden - Anspruch gegen die Staatskasse mit den niedrigeren Stundensätzen nach § 3 VBVG entschieden, so unterliegt die Sache von Amts wegen der Zurückverweisung.
Normenkette
BGB § 1836 Abs. 1 S. 3, §§ 1836c, 1915 Abs. 1 Sätze 1-2, § 1960; FamFG § 69 Abs. 1 S. 2; VBVG § 3 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
AG Neuss (Aktenzeichen 131 VI 356/16) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 3 vom 27. Febr. 2018 wird der Beschluss des Amtsgerichts Neuss - Rechtspflegerin - vom 13. Febr. 2018 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Amtsgerichts Neuss zurückverwiesen.
Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren: bis 1.100 EUR
Gründe
I. Die Erblasserin war ausweislich des Erbscheins des staatlichen Notariats A. vom 1. Dez. 1966 zu 1/5 Miterbin nach ihrem Vater B.. Zu dessen Nachlass gehörte Ackerland in A. mit einer Gesamtfläche von 5.480 qm zu 0,62 EUR je qm, demzufolge Gesamtwert von 3.397,60 EUR und Anteil der Erblasserin 679,52 EUR.
Weiteres Vermögen der Erblasserin ist nicht bekannt.
Auf Antrag des Pächters dieser Grundstücke vom 16. Okt. 2016 ordnete das Nachlassgericht mit Beschluss vom 25. Okt. 2016 Nachlasspflegschaft an und bestellte den Beteiligten zu 1 zum Nachlasspfleger, der die Pflegschaft berufsmäßig führe. Gleichzeitig bestellte es die Beteiligte zu 2 zur Verfahrenspflegerin für die unbekannten Erben.
Der Pächter schloss mit dem Beteiligten zu 1 einen notariellen Erbteilsübertragungsvertrag, wonach er vom Beteiligen zu 1 den Erbteil der Erblasserin für 697,52 EUR erwarb. Mit Beschluss vom 6. Nov. 2017 genehmigte das Nachlassgericht die Erklärungen des Beteiligten zu 1 in dieser Urkunde.
In einer anderen Nachlasssache beim Amtsgericht A. wurde bekannt, dass die Erblasserin eine Tochter, nämlich die Beteiligte zu 3, hatte. Dies teilte das Amtsgericht A. dem Nachlassgericht am 21. Nov. 2017 mit. Mit Schreiben vom 22. Nov. 2017 legte daraufhin der Beteiligte zu 1 gegen den Beschluss des Nachlassgerichts Beschwerde ein.
Das Nachlassgericht erteilte der Beteiligten zu 3 am 20. Dez. 2017 einen Erbschein als Alleinerbin nach der Erblasserin und hob mit Beschluss vom 20. Dez. 2017 die Nachlasspflegschaft auf, weil die Erben ermittelt wurden.
Der Beteiligte zu 1 beantragte mit Schreiben vom 3. Jan. 2018 die Festsetzung seiner Vergütung mit einem Stundensatz von 100 EUR für insgesamt 476 Minuten zzgl. USt. und Auslagen, insgesamt 1.063,89 EUR.
Die Beteiligte zu 3 widersprach dem Festsetzungsantrag ebenso wie den Gerichtskostenrechnungen vom 17. Jan. 2018 über 200 EUR, ersetzt durch Rechnung vom 24. Jan. 2018 über 400 EUR (später storniert). Sie habe die Nachlasspflegschaft nicht beantragt, deren Anordnung sei überdies nicht erforderlich gewesen und zudem lebe sie - im Alter von 104 Jahren - im Pflegeheim und habe keine freien Mittel zur Verfügung.
Das Nachlassgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 13. Febr. 2018 dem Beteiligten zu 1 für seine Tätigkeit eine Vergütung von 944,06 EUR sowie Auslagen von 119,83 EUR festgesetzt (insgesamt 1.063,89 EUR). Der Stundensatz von 100 EUR ergebe sich aus §§ 1960, 1915, 1908i, 1836 BGB, 3 VBVG.
Gegen diesen Beschluss hat die Beteiligte zu 3 mit Schreiben vom 27. Febr. 2018 "Widerspruch" / das Rechtsmittel der Beschwerde eingelegt. Sie habe das Verfahren nicht initiiert; es könne ihr auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie nicht rechtzeitig nach der Erblasserin einen Erbschein beantragt habe. Zudem verfüge sie nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel, um die Vergütung des Nachlasspflegers zu bezahlen.
Mit weiterem Beschluss vom 26. März 2018 hat das Amtsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verfahrensakten verwiesen.
II. Das Rechtsmittel der Beteiligten zu 3 ist gemäß §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 und Abs. 3, 64 Abs. 1 und 2 FamFG als befristete Beschwerde zuläss...