Leitsatz (amtlich)
Beantragt der Angeklagte nach Versäumung der Berufungshauptverhandlung zusammen mit der sofortigen Beschwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts, durch die sein Wiedereinsetzungsantrag wegen Nichteinhaltung der einwöchigen Frist des § 329 Abs. 7 StPO als unzulässig verworfen worden ist, Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzungsfrist, so ist das Landgericht nach § 46 Abs. 1 StPO zur Entscheidung über diesen Antrag berufen.
Der Strafsenat des Oberlandesgerichts ist nicht berechtigt, diese Entscheidung aus prozessökonomischen Gründen selbst zu treffen. Vielmehr kann und soll der Strafsenat die Sache vor einer Entscheidung über die sofortige Beschwerde entsprechend dem Rechtsgedanken der §§ 315 Abs. 2 Satz 2, 342 Abs. 2 Satz 2 StPO an das Landgericht zurückgeben, damit dort die vorrangige Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzungsfrist getroffen wird.
Normenkette
StPO § 46 Abs. 1, § 329 Abs. 7
Tenor
Eine Entscheidung des Senats ist derzeit nicht veranlasst.
Die Sache wird zum zuständigen Befinden über den Antrag des Angeklagten, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist des § 329 Abs. 7 StPO zu gewähren, an die 7. kleine Strafkammer des Landgerichts Duisburg zurückgegeben.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Mülheim an der Ruhr hat den Angeklagten wegen Diebstahls mit Waffen, Diebstahls, Erschleichens von Leistungen in vier Fällen, Betruges in drei Fällen und versuchten Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Hiergegen hat der Angeklagte Berufung eingelegt.
Im Termin zur Berufungshauptverhandlung am 23. Januar 2018 ist der Angeklagte ausgeblieben. Er hatte seinem Verteidiger, der nicht über eine schriftliche Vertretungsvollmacht verfügte, telefonisch mitgeteilt, sich wegen einer akuten Hepatitiserkrankung im E.-Krankenhaus in M. zu befinden. Eine Nachfrage der Strafkammer bei diesem Krankenhaus ergab, dass sich der Angeklagte dort nicht in stationärer Behandlung befand. Daraufhin hat die Strafkammer die Berufung des Angeklagten nach § 329 Abs. 1 StPO verworfen.
Das Verwerfungsurteil ist dem gerichtlich bestellten Verteidiger am 31. Januar 2018 zugestellt worden. Er hat wegen der Versäumung der Berufungshauptverhandlung mit Telefax vom 14. Februar 2018 unter Vorlage ärztlicher Bescheinigungen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und zugleich Revision gegen das Verwerfungsurteil eingelegt. Den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat die Strafkammer wegen Versäumung der einwöchigen Frist des § 329 Abs. 7 StPO als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Angeklagten.
II.
Eine Entscheidung des Senats über die sofortige Beschwerde ist derzeit nicht veranlasst.
Denn der Angeklagte hat in der Beschwerdeschrift konkludent beantragt, ihm wegen der Versäumung der einwöchigen Frist des § 329 Abs. 7 StPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Über diesen Antrag ist vorrangig zu entscheiden. Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzungsfrist ist gemäß § 46 Abs. 1 StPO die Strafkammer berufen.
1.
Die einwöchige Frist des § 329 Abs. 7 StPO, innerhalb der wegen Versäumung der Berufungshauptverhandlung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt werden kann, begann mit der am 31. Januar 2018 bewirkten Zustellung des Urteils an den gerichtlich bestellten Verteidiger (§ 145a Abs. 1 StPO) und endete am 7. Februar 2018. Die Strafkammer hat zutreffend festgestellt, dass der erst am 14. Februar 2018 eingegangene Antrag verspätet war.
Entgegen der Annahme des Verteidigers ist für den Fristbeginn unerheblich, an welchem Tag ihm welche ärztlichen Bescheinigungen vorlagen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags können noch im Verfahren über den Antrag glaubhaft gemacht werden (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Im Rahmen des § 329 Abs. 7 StPO, der eine Sonderregelung gegenüber § 45 Abs. 1 StPO darstellt (vgl. SK-Frisch, StPO, 5. Aufl., § 329 Rdn. 59), kommt es auch nicht auf den Wegfall eines Hindernisses, das der Wahrung einer Frist entgegenstand, an. Der Angeklagte hat diesbezüglich keine Frist, sondern die Berufungshauptverhandlung versäumt. Für den Fristbeginn ist nach der besonderen Regelung des § 329 Abs. 7 StPO allein die Zustellung des Urteils maßgeblich. Daran ändert auch die in § 329 Abs. 7 StPO enthaltene Verweisung auf die in §§ 44, 45 StPO bezeichneten Voraussetzungen nichts. Diese Verweisung bezieht sich auf die weiteren Voraussetzungen für die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, nicht hingegen auf die einzuhaltende Frist. Das folgt aus dem eindeutigen Wortlaut der Norm wie auch daraus, dass es anderenfalls der besonderen Fristvorschrift in § 329 Abs. 7 StPO nicht bedurft hätte (vgl. OLGOldenburg StraFo 2011, 280).
Das Vorbringen in der Beschwerdeschrift, das Verschulden hinsichtlich der verspäteten Anbringung des Antrags, dem Angeklagten wegen der Versäumung der Berufungshauptverhandlung Wiedereinsetzung in den vorigen Stan...