Leitsatz (amtlich)
1. Hat ein Rechtsschutzversicherer die Kostenschuld des versicherten Mandanten übersteigende Vorschüsse an Gericht oder Anwalt geleistet, gehen die Ansprüche des Mandanten gegen den Rechtsanwalt auf Auszahlung überzahlter Beträge auf den Rechtsschutzversicherer über.
2. Wie dem Mandanten selbst hat der Rechtsanwalt dem Rechtsschutzversicherer die bestimmungsgemäße Verwendung eingenommener Fremdgelder darzulegen, wenn er den Mandanten nicht entsprechend informiert.
3. Zur Bestimmung der "Mittelgebühr" und zur Darlegung und Beweislast des Rechtsanwalts hinsichtlich seiner Ermessenserwägungen.
4. Zur Aufrechnung mit einer verjährten Gebührenforderung ist die Abrechnung innerhalb der Verjährungsfrist erforderlich.
Normenkette
VVG a.F. § 67; BRAGO a.F. § 12; BRAGO § 18 (RVG §§ 14, 10); BGB § 667
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Aktenzeichen 12 O 318/06) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Dem Beklagten wird Gelegenheit gegeben, hierzu binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.
Der für den 26.2.2008 geplante Senatstermin entfällt.
Gründe
Die Berufung des Beklagten hat keine Aussicht auf Erfolg. Das landgerichtliche Urteil ist richtig, der Senat folgt der ausführlichen Begründung in wesentlichen Teilen. Aus der Berufungsbegründung ergeben sich letztlich keine Gründe für die beantragte Abänderung.
I. Der Beklagte hat von den vereinnahmten Beträgen den vom LG ermittelten Überschuss an die Klägerin auszukehren. Denn ihm steht Anwaltshonorar aus seiner anwaltlichen Tätigkeit für den mitversicherten Ehemann der Versicherungsnehmerin (im Folgenden: Mandant) der Klägerin lediglich in Höhe der vom LG ermittelten Höhe zu.
Dieser Anspruch errechnet sich wie folgt:
1. 7,5/10 Besprechungsgebühr, § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO, außergerichtliche Tätigkeit ./. W.; Gegenstandswert: bis 1,8 Mio. DM 3.307,44 EUR
2. 9/10 Geschäftsgebühr, § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO 4.659,15 EUR
9/10 Besprechungsgebühr, § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO, 4.659,15 EUR
jeweils außergerichtliche Tätigkeit ./. E. bzw. E. & Partner
3. Rechtsstreit ./. W., 14e O 98/01 LG Düsseldorf 9.229,02 EUR
4. Rechtsstreit ./. W. (Berufungsverfahren) 18.416,48 EUR
Zwischensumme 40.271,24 EUR
16 % Umsatzsteuer 6.443,40 EUR
Honoraranspruch 46.714,64 EUR
./. Zahlung durch Klägerin 26.762,75 EUR
./. Vorschuss durch Klägerin 11.627,61 EUR
./. Kostenerstattung durch W. 31.984,87 EUR
Zwischensaldo zu Lasten des Beklagten -23.660,59 EUR
Zahlung des Beklagten an die Klägerin +8.581,04 EUR
Zwischenergebnis -15.079,55 EUR
./. vom LG zuerkannte Reisekosten des Mandanten +299,11 EUR
Saldo zu Lasten des Beklagten, also Anspruch der Klägerin: 14.780,44 EUR
Soweit das LG einen Betrag von 14.780,45 EUR ausgeurteilt hat, resultiert dies offensichtlich aus unerheblichen Rundungsdifferenzen.
II. Im Einzelnen gilt folgendes:
Der Klägerin steht gegen den Beklagten gem. §§ 667, 675 BGB, 67 VVG ein restlicher Zahlungsanspruch i.H.v. 14.780,44 EUR zu.
1. Der Rechtsübergang von Ansprüchen des Mandanten gegen den Beklagten ergibt sich aus § 67 Abs. 1 S. 1 VVG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung (VVG aF.) in Verbindung mit den dem Rechtsschutzversicherungsvertrag zugrunde liegenden ARB. Dass die Parteien den Zeitpunkt des Vertragsschlusses und Versicherungsbeginn nicht mitgeteilt haben, ist unerheblich. Denn der Rechtsübergang folgt aus den § 20 Abs. 2 ARB75 oder § 17 Abs. 8 ARB94. Nach den im Wesentlichen gleich lautenden Klauseln gehen Kostenerstattungsansprüche des Versicherungsnehmers auf den Versicherer über, soweit dieser Leistungen erbracht bzw. Kosten getragen hat, und zwar mit der Entstehung dieser Kosten (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 2005, 1155). Dies gilt gem. § 11 Abs. 3 ARB75 oder § 15 Abs. 2 ARB94 auch für Ansprüche des mitversicherten Dritten.
Ist der Vorschussbetrag, den der Versicherer dem Versicherungsnehmer oder Versicherten oder dem Rechtsanwalt unmittelbar zur Verfügung gestellt hat, höher als die Kostenschuld, dann entsteht zugunsten des Mandanten ein Anspruch auf Rückzahlung aus §§ 675, 667 BGB. Dieser geht als Anspruch "auf Erstattung" nach den genannten Klauseln auf den Versicherer über (Senat, a.a.O.; Harbauer, Rechtsschutzversicherung, 7. Aufl., § 20 ARB75 Rz. 25). Entsprechend verhält es sich mit Kostenerstattungen, die Dritte an den Rechtsanwalt gezahlt haben. Zunächst geht der Anspruch des mitversicherten Mandanten auf Kostenerstattung gegen Dritte sogleich mit seiner Entstehung auf den Rechtsschutzversicherer als Schadensversicherer über (vgl. OLG Hamm NJW-RR 2000, 174; OLG München, RuS 1999, 158 f.; LG München, VersR 2006, 257). Geht dieser Anspruch durch Zahlung an den einziehungsberechtigten Rechtsanwalt unter, so entsteht wiederum ein Herausgabeanspruch des Mandanten gegen den Rechtsanwalt, der die Kostenerstattung vereinnahmt und darüber abzurechnen hat. Auch dieser Anspruch geht nach den genannten Bestimmungen als Kostenerstattungsanspruch auf den Versicherer über (vgl. Prölls/Armbrüster, VVG, 27. Aufl., § 20 ARB ...