Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Aktenzeichen 12 O 299/22) |
Tenor
I. Das Verfahren wird ausgesetzt.
II. Das Oberlandesgericht Düsseldorf legt dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Frage vor:
Ist Art. 105 Absatz 4 Unterabsatz 1 der Richtlinie (EU) 2018/1972 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (ABl. L 321/36; zukünftig: Richtlinie) dahingehend auszulegen,
dass den Anbietern anderer öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste als nummernunabhängiger interpersoneller Kommunikationsdienste
das Recht eingeräumt wird, die Vertragsbedingungen kraft Gesetzes einseitig zu ändern, und die Endkunden im Gegenzug hierzu ein Sonderkündigungsrecht erhalten,
oder setzt die Vorschrift ein bereits aus anderen Gründen bestehendes Recht der Anbieter, die Vertragsbedingungen einseitig zu ändern, voraus und regelt lediglich das sich daraus ergebende Sonderkündigungsrecht des Endkunden?
Gründe
I. 1. Der Kläger, Dachverband der 16 Verbraucherzentralen der Länder und 27 weiterer verbraucherpolitischer Verbände in Deutschland und als Verbraucherschutzverband registriert, hat sich nach dem Unterlassungsklagegesetz gegen drei von der Beklagten in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendete Klauseln gewandt, von denen im Berufungsverfahren nur noch folgende Klausel von Belang ist:
"3. Änderung der Vertragsbedingungen
3.1 A. behält sich vor, die Vertragsbedingungen nach billigem Ermessen einseitig zu ändern."
2. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Änderungsvorbehalt verstoße gegen § 308 Nummer 4 Bürgerliches Gesetzbuch und könne auch nicht mit § 57 Absatz 1 Satz 1 Telekommunikationsgesetz gerechtfertigt werden, weil diese Regelungen einen wirksamen Änderungsvorbehalt voraussetzten. Aus § 308 Nummer 4 Bürgerliches Gesetzbuch folge, dass die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, nur Gültigkeit haben solle, wenn sie unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. Insoweit sei die Inhaltskontrolle auch nicht gemäß § 307 Absatz 3 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch ausgeschlossen. Der Änderungsvorbehalt verstoße gegen § 307 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Bürgerliches Gesetzbuch, weil sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige.
3. Die genannten Vorschriften lauten wie folgt:
§ 57 Absatz 1 Satz 1 Telekommunikationsgesetz
Hat ein Anbieter öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste sich durch Allgemeine Geschäftsbedingungen vorbehalten, einen Vertrag einseitig zu ändern und ändert er die Vertragsbedingungen einseitig, kann der Endnutzer den Vertrag ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist und ohne Kosten ändern, es sei denn, ...
§ 307 Bürgerliches Gesetzbuch
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder sie ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
§ 308 Nummer 4 Bürgerliches Gesetzbuch
In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist insbesondere unwirksam
die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen zumutbar ist.
4. Der Kläger hat - soweit im Berufungsverfahren noch von Belang - beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollstrecken an ihren Geschäftsführern,
gegenüber Verbrauchern, in Bezug auf Verträge über Telekommunikationsdienstleistungen die Verwendung der folgenden oder einer dieser inhaltsgleichen Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, zu unterlassen:
a) "A. behält sich vor, die Vertragsbedingungen nach billigem Ermessen einseitig zu ändern."
5. Die Beklagte hat insoweit beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die mit dem Antrag zu 1. a) angegriffene Klausel entspreche dem Wortlaut des § 57 Absatz 1 Satz 1 Telek...