Leitsatz (amtlich)
1. Ein gesetzliches Widerrufsrecht steht dem Verbraucher gemäß § 312 Abs. 1 S. 1. Nr. 1 BGB a.F. nur zu, wenn er darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass die "Haustürsituation" entscheidender Beweggrund für die Abgabe seiner Vertragserklärung war.
2. Besteht kein gesetzliches Widerrufsrecht, kann aus der Erteilung einer Widerrufsbelehrung nicht ohne weiteres auf die Einräumung eines voraussetzungslosen vertraglichen Widerrufsrechts geschlossen werden. Ein solches Widerrufsrecht kommt jedoch in Betracht, wenn der Belehrung kein Hinweis auf eine Norm zu entnehmen ist, aus der sich ein gesetzliches Widerrufsrecht ergibt, und die Belehrung nicht einmal erkennen lässt, dass das Widerrufsrecht nur Verbrauchern gewährt wird.
3. Soll die Frist für die Ausübung des gesetzlichen Widerrufsrechts erst beginnen, nachdem dem Kunden ein Exemplar der Widerrufsbelehrung und eine Vertragsurkunde zur Verfügung gestellt wurde, beginnt sie auch im Falle eines voraussetzungslosen vertraglichen Widerrufsrechts erst, wenn dem Kunden die maßgeblichen Unterlagen zum dauerhaften Verbleib ausgehändigt wurden.
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Urteil vom 26.03.2015; Aktenzeichen 1 O 230/14) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 26.3.2015 verkündete Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des LG Düsseldorf abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklage vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt den Beklagten aus einer Bürgschaft auf Zahlung rückständiger Leasingraten sowie auf Ersatz eines ihr kündigungsbedingt entstandenen Schadens in Anspruch.
Die F. GmbH beabsichtigte im Jahre 2011, den Kaufpreis von insgesamt 140 Navigationsgeräten der Marke T., Typ Work Pro 7100, nebst 40 Halterungen des Typs Work fixed Cradle Pro 7100, und 50 Geräten zur eigenständigen Stromversorgung der Marke T., Typ Link 310, in Höhe von insgesamt EUR 55.000,00 netto durch die Klägerin zu finanzieren.
Unter dem 20.7.2011 unterzeichnete der Beklagte in seiner Funktion als Geschäftsführer der F. GmbH das auf den Abschluss des Leasingvertrages gerichtete Formular.
Auf dem Leasingvertragsformular unterzeichnete der Beklagte persönlich am 20.7.2011 ferner folgende in einem Kasten hervorgehobene Erklärung:
"Selbstschuldnerische Bürgschaft
Für alle gegenwärtigen und künftigen Ansprüche der SL (einschließlich aus Rückgewähr und aus Schadenersatz) gegenüber dem Kunden aus diesem Leasingvertrag übernehme ich die selbstschuldnerische Bürgschaft. Der Bürgschaftsvertrag kommt ohne Zugang der Annahmeerklärung zustande; die Frist der Ziffer 1 Abs. (1) der Allgemeinen Leasingbedingungen gilt nicht.
Datum/Bürge".
Auch unterzeichnete der Beklagte am 20.7.2011 ein mit "Selbstschuldnerische Bürgschaft" überschriebenes weiteres Formular, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, sowie das Formular "Widerrufsbelehrung für den Bürgen", in dem es wörtlich heißt:
"Widerrufsbelehrung für den Bürgen
Kunde
F. GmbH
(...)
Leasing-/Mietkaufvertrag Nr. Kunden-Nr.
6122338/1 81428
Bürge
Sch.
(...)
Widerrufsrecht
Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (...) widerrufen. Die Frist beginnt einen Tag, nachdem Ihnen
- ein Exemplar dieser Widerrufsbelehrung und
- eine Vertragsurkunde, Ihr schriftlicher Vertragsantrag, oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder Ihres Vertragsantrags
zur Verfügung gestellt wurden, nicht jedoch vor dem Tag des Abschlusses des Vertrags. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
Der Widerruf ist zu richten an:
...
Widerrufsfolgen
Im Falle eines wirksamen Widerrufs werden wir die mit der widerrufenen Vertragserklärung bestellte Sicherheit zurückgewähren und ggf. gezogene Nutzungen (z.B. Zinsen) herausgeben. Verpflichtungen zur Erstattung von Zahlungen müssen wir innerhalb von 30 Tagen erfüllen; diese Frist beginnt für uns mit dem Empfang Ihrer Widerrufserklärung.".
Das auf den Abschluss eines Leasingvertrages gerichtete unterzeichnete Antragsformular, die unterzeichnete Bürgschaftserklärung und die unterzeichnete Widerrufsbelehrung sandte die F. GmbH der Klägerin am Tag der Unterzeichnung, am 20.7.2011 zurück.
Mit Schreiben vom 19.8.2011 teilte die Klägerin dem Beklagten wörtlich mit:
"Ihre selbstschuldnerische Bürgschaft haben wir dankend erhalten.
Anbei senden wir Ihnen eine Ausfertigung des Leasingvertrages und der Leasingabrechnung.
Wir weisen darauf hin, dass die in der Leasingabrechnung enthaltenen Daten maßgeblich für den Haftungsumfang der Bürgschaft sind.".
Dem Schreiben waren eine Ausfertigung des Leasingvertrages und die Leasingabrechnung beigefügt.
In der Folgezeit wurden die Navigationsgeräte an die F. GmbH ausgeliefert.
Die F. GmbH e...