Leitsatz (amtlich)
1. Die Bestimmung des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB findet auf Kündigungen von Bausparkassen Anwendung.
2. Ein "vollständiger Empfang" im Sinne des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist bei einem Bausparvertrag mit Eintritt der erstmaligen Zuteilungsreife und nicht erst mit Ansparung der vollen Bausparsumme anzunehmen.
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Urteil vom 29.04.2016; Aktenzeichen 10 O 290/15) |
Tenor
Der Antrag der Klägerin auf Aussetzung des Verfahrens wird zurückgewiesen.
Die Berufung der Klägerin gegen das am 29.04.2016 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des LG Düsseldorf wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
Die Klägerin, die mit der Beklagten am 29.04.1999 einen Bausparvertrag geschlossen hat, begehrt die Feststellung, dass dieser von der Beklagten nicht durch die Kündigung vom 12.12.2014 zum 30.06.2015 beendet worden ist, sondern fortbesteht.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Es hat dies damit begründet, die Kündigung sei wirksam. Der Beklagten habe nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ein Kündigungsrecht zugestanden, dessen Voraussetzungen vorgelegen hätten.
Die Vorschrift sei auch im Fall der Kündigung eines Bausparvertrags durch die Bausparkasse anwendbar. Weder dem Wortlaut des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB noch den Gesetzesmaterialien könne eine Einschränkung des Kündigungsrechts dahingehend entnommen werden, dass nur Verbraucherdarlehensverträge unter den Anwendungsbereich fielen. Bereits für das Kündigungsrecht in der bis zum 10.06.2010 geltenden Fassung habe der Gesetzgeber eine Verbrauchereigenschaft gerade nicht vorausgesetzt. Auch finde sich die Regelung bei den allgemeinen Regelungen für Darlehensverträge. Dass § 489 BGB für alle Darlehen gelte, ergebe sich im Umkehrschluss auch aus § 489 Abs. 4 S. 2 BGB wonach das Kündigungsrecht (nur) bei Darlehen an aufgeführte Sondervermögen und Gebietskörperschaften ausgeschlossen werden könne. Schließlich spreche auch die teleologische Auslegung dafür, den Anwendungsbereich nicht auf Verbraucher zu beschränken. Denn Sinn und Zweck des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB sei, den Darlehensnehmer bei einem festverzinslichen Darlehen von einer mehr als 10 jährigen vertraglichen Bindung an einen nicht mehr zeitgemäßen Zinssatz zu bewahren. Dies gelte auch dann, wenn in der Ansparphase die Bausparkasse Darlehensnehmerin sei.
Schlussendlich sichere bei einem Bausparvertrag die Verknüpfung der Unkündbarkeit des Bausparvertrags mit der Gewährung eines Bauspardarlehens die Ausgeglichenheit von Leistungen und Gegenleistungen. Diese sei in Fällen wie dem vorliegenden, in denen der Bausparvertrag zuteilungsreif sei, das Bauspardarlehen aber nicht in Anspruch genommen werde, nicht mehr gegeben.
Die Kündigungsvoraussetzungen lägen auch vor, insbesondere habe die Beklagte das Darlehen vollständig empfangen. Insoweit sei der Zeitpunkt der Zuteilungsreife entscheidend, nicht der der vollständigen Valutierung. Dies folge aus der Struktur des Bausparvertrags, dessen Zweck vorrangig darauf gerichtet sei, dem Bausparer nach der Erbringung ausreichender Sparleistungen den Zugriff auf ein darüber hinausgehendes zinsgünstiges Darlehen zu ermöglichen, auf das ihm ab erstmaligem Eintritt der Zuteilungsreife ein Anspruch zustehe. Daher liege es nahe, die Sparleistung, die bis zum Erreichen der Zuteilungsreife erbracht werden müsse, als den vollständigen Gegenstand des Darlehens anzusehen, das der Bausparer der Bausparkasse während der Ansparphase gewähre. Gegen das Erreichen der Bausparsumme als maßgeblichem Zeitpunkt für den "vollständigen Empfang" spreche auch § 2 Abs. 1 ABB, nach welchem die Bausparsumme das anzusammelnde Bausparguthaben und ein Bauspardarlehen umfasse. Die Zuteilungsreife sei hier mehr als 10 Jahre vor Ausspruch der Kündigung eingetreten.
Das Kündigungsrecht sei auch nicht vertraglich ausgeschlossen. Dabei könne dahinstehen, ob sich die Bestimmung in § 9 ABB auch auf ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB beziehe, weil ein vertraglicher Ausschluss des Kündigungsrechts unwirksam wäre. Denn dieses Kündigungsrecht könne nach § 489 Abs. 4 S. 1, 2 BGB nur erschwert oder ausgeschlossen werden, wenn das Darlehen an die aufgeführten Sondervermögen und Gebietskörperschaften gewährt worden sei. Auch eine analoge Anwendung auf die Beklagte sei nicht geboten, weil der Gesetzgeber gerade darauf verzichtet habe, die Ausnahme auf sämtliche juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu erstrecken.
Der Ausübung des Kündigungsrechts stehe auch nicht § 242 BGB entgegen.
Hiergege...