Verfahrensgang
LG Wuppertal (Urteil vom 22.04.2022; Aktenzeichen 1 O 296/20) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 22.04.2021 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsrechtszuges werden dem Kläger auferlegt.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger erwarb gemäß verbindlicher Bestellung bei der ... GmbH & Co. KG, ... vom 18.02.2015 (Anl. K1) ein Neufahrzeug der Marke VW Golf VII 2.0 TDI, das mit einem Motor des Typs EA 288 und einem NOx-Speicherkatalysator ausgestattet ist.
Er nimmt die Beklagte als Herstellerin des Motors auf Schadensersatz wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Anspruch.
Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) untersuchte nach Bekanntwerden des sogenannten Dieselskandals im Hinblick auf die EA 189-Motoren im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) unter anderem Motoren des Motortyps EA 288 der Emissionsklasse Euro 5 und Euro 6 auf unzulässige Abschalteinrichtungen im Zusammenhang mit einer Umschaltungslogik. Das BMVI stellte unter Berufung auf diese Untersuchungen fest, dass sich Hinweise, dass Motoren der Baureihe EA 288 (Euro 6) ebenfalls von Abgasmanipulationen betroffen seien, als unbegründet erwiesen hätten.
Der Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs verfügt über eine Software, die als sogenanntes Thermofenster bezeichnet wird, bei dem die Abgasreinigung über eine Abgasrückführung erfolgt. Letztere wird bei kühleren oder hohen Außentemperaturen automatisch abgeschaltet. Ferner ist das Fahrzeug mit einer sogenannten Fahrkurvenerkennung ausgestattet, durch welche das Fahrzeug das Durchfahren des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) erkennt.
Ein amtlicher Rückruf des Kraftfahrtbundesamtes für das streitgegenständliche Fahrzeug existiert nicht.
Der Kläger hat behauptet, dass auch der in seinem Fahrzeug verbaute Motor über die aus dem Abgasskandal bekannte illegale Abschaltvorrichtung verfüge, die erkennt, ob das Fahrzeug auf dem Prüfstand steht, um so die Abgasreinigung voll aktivieren zu können, um die Normwerte zu erfüllen. Dies ergebe sich aus einem internen Dokument der Beklagten vom 18.11.2015, bezeichnet als "Entscheidungsvorlage: Applikationsrichtlinien & Freigabevorhaben EA 288". Er hat die Ansicht vertreten, auch das im Fahrzeug installierte Thermofenster stelle eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 3, Art. 3 Nr. 10 EGVO 715/2007 dar.
Der Kläger hat den an die Beklagte gezahlten Kaufpreis von 26.290,- EUR zuzüglich aufgewandter Darlehenskosten von 1.207,42 EUR abzüglich einer ausgehend von einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km berechneten Nutzungsentschädigung zurückverlangt.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass Ansprüche des Klägers aus §§ 823 ff., insbesondere aus § 826 BGB nicht gegeben seien. Die Ausstattung des Motors mit einem sog. Thermofenster sei jedenfalls in subjektiver Hinsicht nicht als sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB zu qualifizieren. Seine Behauptung, die Beklagte habe das Thermofenster verwendet, um die Zulassungsvorschriften zu umgehen und sich eine EG-Typengenehmigung zu erschleichen, sei nicht unter Beweis gestellt worden.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seinen Schadensersatzanspruch weiterverfolgt.
Er behauptet weiterhin, dass der im Motor verbaute NOx- Speicherkatalysator anhand eines internen Zählers erkenne, wann das Fahrzeug auf dem Prüfstand sei und sich dann auf Null stelle, was zu niedrigeren Emissionen im Vergleich zum Realbetrieb führe. Das Fahrzeug verfüge über eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form einer Akustikfunktion, die auf dem Prüfstand in einen Modus schalte, der für die Abgasreinigung die Einhaltung der gesetzlich geforderten Grenzwerte ermögliche.
Die Abgasrückführung mittels eines Thermofensters stelle ebenfalls eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 der EGVO Nr. 715/2007 dar. Dies gelte auch für ein manipuliertes "On-Board-Diagnose System", das im Fahrzeug des Klägers verbaut sei.
Der Kläger rügt, dass das Landgericht die Substantiierungsanforderungen hinsichtlich des Vorliegens unzulässiger Abschalteinrichtungen überspannt habe. Es habe die vom Kläger vorgelegten Gutachten und die Tatsache, dass der EA 288 Motor in den USA aufgrund unzulässiger Abschalteinrichtungen zurückgerufen worden sei, nicht berücksichtigt. Es habe nicht alle in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen, insbesondere nicht...