Leitsatz (amtlich)
1. Hat der in der Insolvenz absonderungsberechtigte Gläubiger vor Insolvenzeröffnung sicherungsübereignete Gegenstände in Besitz genommen und diese nach Insolvenzeröffnung verwertet, kann die Inbesitznahme nicht mit der Begründung angefochten werden, der Masse seien die Feststellungskostenpauschale und die Verwertungskostenpauschale entgangen.
2. Die Inbesitznahme kann in einem solchen Fall aber mit der Begründung angefochten werden, die Masse sei mit der Umsatzsteuer belastet worden.
3. Der Insolvenzverwalter hat in einem solchen Fall die Umsatzsteuer aus der Gutschrift des Sicherungsnehmers als Masseverbindlichkeit an das Finanzamt abzuführen. Der gem. § 173 InsO zur Verwertung berechtigte Gläubiger braucht der Masse diese Umsatzsteuer nicht nach § 170 Abs. 2 InsO zu erstatten. Die Verwertung erfolgt auch nicht außerhalb des Insolvenzverfahrens gem. § 13b Abs. 1 Nr. 2 UStG, so dass der Sicherungsnehmer nicht Steuerschuldner wird.
Normenkette
InsO § § 129 ff., §§ 166, 170-171; UStG § 13b Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Urteil vom 04.03.2005; Aktenzeichen 2 O 189/04) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers und die Berufung der Beklagten gegen das am 4.3.2005 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Wuppertal werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 40 % und die Beklagte 60 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht diese vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Sicherheitsleistungen können auch durch Bürgschaft eines der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unterliegenden Kreditinstituts erbracht werden.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 3.7.2003 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der ... GmbH (nachfolgend: Schuldnerin).
Im Jahr 2002 gewährte die Beklagte der Schuldnerin vier Darlehen zum Kauf von zehn Sattelaufliegern. Zur Sicherheit übereignete die Schuldnerin der Beklagten die finanzierten Fahrzeuge. In den hierzu zwischen der Beklagten und der Schuldnerin geschlossenen Sicherungsübereignungsverträgen (Anlagen K 6-K 15) heißt es auszugsweise:
"2.9 Die Bank ist befugt, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, insb., wenn Sicherungsgeber oder Schuldner ihren Verpflichtungen der Bank ggü. nicht nachkommen, das Kraftfahrzeug in ihren unmittelbaren Besitz zu nehmen. In diesem Fall ist es der Bank auch gestattet, das Kraftfahrzeug auf Kosten des Sicherungsgebers an anderer Stelle einzustellen ...
Kommt der Sicherungsgeber seinen Verpflichtungen bei Fälligkeit nicht nach, so ist die Bank befugt, das Kraftfahrzeug ohne gerichtliches Verfahren unter tunlichster Rücksichtnahme auf den Sicherungsgeber zu beliebiger Zeit an einem ihr geeignet erscheinenden Ort zu verwerten.
Weiter ist die Bank berechtigt, das Kraftfahrzeug zu einem angemessenen Preis selbst zu übernehmen.
Der Sicherungsgeber ist verpflichtet, auf Verlangen der Bank das Sicherungsgut zu verwerten oder bei der Verwertung mitzuwirken. Der Sicherungsgeber hat alles, was er bei der Verwertung des Sicherungsguts erlangt (einschl. Umsatzsteuer), unverzüglich an die Bank herauszugeben.
Einen etwa verbleibenden Überschuss hat die Bank dem Sicherungsgeber unverzüglich auszuzahlen, soweit er nicht Dritten zusteht."
Mit Telefaxschreiben vom 5.3.2003 teilte der Geschäftsführer der Schuldnerin der Beklagten mit, es habe den Anschein, dass die Schuldnerin auf Grund eines größeren Versicherungsschadens mit einer Fährgesellschaft geschlossen werden müsse. Gleichzeitig übermittelte er der Beklagten einen Gesellschaftsvertrag vom 28.2.2003 über die neu gegründete A. GmbH und bat unter Bezugnahme auf ein zuvor mit der Beklagten geführtes Telefonat um "Umschreibung der laufenden Verträge" auf diese Gesellschaft. Daraufhin ließ sich die Beklagte die sicherungsübereigneten Fahrzeuge von der Schuldnerin noch im März 2003 auf das Gelände eines Dritten herausgeben.
Am 1.4.2003 stellte die Schuldnerin Insolvenzantrag.
Mit Schreiben vom 23.4.2003 kündigte die Beklagte die mit der Schuldnerin geschlossenen Darlehensverträge fristlos und stellte den Sollsaldo zur sofortigen Rückzahlung fällig. Außerdem drohte sie die Verwertung der Fahrzeuge für den Fall der Nichterfüllung der Verbindlichkeiten bis zum 6.6.2003 an.
Durch Beschluss vom 27.5.2003 wurde der Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Mit Schreiben vom 5.6.2003 stellte sich der Kläger als solcher bei der Beklagten vor. Am 17.6.2003 ließ die Beklagte die Fahrzeuge durch einen Sachverständigen begutachten.
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 3.7.2003 teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 17.7.2003 mit, dass ihr die Anhänger sicherungsübereigne...