Entscheidungsstichwort (Thema)
Offenbarungs- und Ausforschungsverbot bei Volljährigenadoption
Leitsatz (amtlich)
1. Die das Einsichtnahmegesuch eines nicht verfahrensbeteiligten privaten Dritten zurückweisende Entscheidung nach § 13 Abs. 2, Abs. 7 FamFG betreffend die Akten eines abgeschlossenen Verfahrens stellt nach der vorzunehmenden funktionellen Betrachtung einen Justizverwaltungsakt dar, gegen den der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 23 ff. EGGVG statthaft ist (entgegen BayObLG, Beschluss vom 24.10.2019, Az. 1 VA 107/19, zitiert nach juris).
2. Das Offenbarungs- und Ausforschungsverbot des § 1758 BGB gilt auch für die Volljährigenadoption (Anschluss an OLG Hamm, Beschluss vom 26.07.2011, Az. II-2 WF 131/11, zitiert nach juris und OLG Koblenz, FGPrax 2019, 268). Eine einschränkende Auslegung der Vorschrift im Wege der teleologischen Reduktion kommt nicht in Betracht, weil der Gesetzeszweck des Schutzes des informationellen Selbstbestimmungsrechts des Annehmenden und des Angenommenen auch den Fall der Annahme eines Volljährigen umfasst.
3. Stützt der Dritte als entfernter Verwandter des Annehmenden sein Interesse an der Einsichtnahme in die Akten eines Adoptionsverfahrens darauf, als möglicher gesetzlicher Erbe in einem Erbscheinsverfahren die Geschäftsunfähigkeit des Annehmenden zum Zeitpunkt der Annahme und dessen Testierunfähigkeit bei Errichtung eines Testaments zugunsten des Angenommenen geltend zu machen, begründet dies weder ein besonderes öffentliches Interesse im Sinne des § 1758 BGB noch ausnahmsweise ein besonderes privates Interesse, welches eine Ausnahme von dem allgemeinen Offenbarungs- und Ausforschungsverbot begründen würde.
Normenkette
BGB §§ 1758, 1767; EGGVG § 23; FamFG §§ 13, 58
Verfahrensgang
AG Königstein (Beschluss vom 01.12.2015; Aktenzeichen 13 F 444/15) |
Tenor
Ein Rechtsmittel ist nicht bekannt geworden.
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Gerichtskosten zu tragen.
Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Der Geschäftswert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Antragstellerin beantragte mit Schreiben vom 28.12.2017 bei dem Amtsgericht Königstein im Taunus Einsichtnahme in die Akten des Adoptionsverfahrens betreffend den weiteren Beteiligten.
Jenes Verfahren (im Folgenden auch: Ausgangsverfahren) war bei dem Amtsgericht Königstein im Taunus - Familiengericht - unter dem Aktenzeichen .../15 geführt worden. In diesem war durch Beschluss vom 01.12.2015 die Annahme des am XX.XX.1962 geborenen weiteren Beteiligten durch die am XX.XX.1927 geborenen A (im Folgenden: Annehmende) als Kind ausgesprochen worden. Die Annehmende verstarb am XX.XX.2017.
Die Antragstellerin führte zu dem Akteneinsichtsgesuch aus, sie und ihre drei namentlich bezeichneten Geschwister seien zu gesetzlichen Erben der Annehmenden berufen. Sie seien Nichten und Neffen der Annehmenden. Ihre im Jahre 1996 vorverstorbene Mutter sei eine Schwester der Annehmenden gewesen. Eine weitere Schwester der Annehmenden sei im Jahre 2008 ebenfalls vorverstorben. Die Annehmende habe keine leiblichen eigenen Kinder gehabt.
Im November 2017 habe das Nachlassgericht ein Testament der Annehmenden eröffnet. Der weitere Beteiligte habe einen Erbscheinsantrag gestellt.
Die Antragstellerin und ihre Geschwister gingen davon aus, dass die maßgeblichen Erklärungen der Annehmenden zu Gunsten des weiteren Beteiligten nichtig seien. In dem Erbscheinsverfahren solle vorgetragen werden, in welcher Weise unter Ausnutzung der begonnenen Demenzerkrankung und bestehender wahnhafter Vorstellungen auf die Willensbildung der damals 87 Jahre alten Annehmenden in unzulässiger Weise Einfluss genommen worden sei.
Mit vorliegend angefochtener in Beschlussform ergangener Entscheidung vom 24.01.2018 (Bl. 42 d. A. d. Ausgangsverfahrens) wies der Richter des Familiengerichts das Akteneinsichtsgesuch der Antragstellerin zurück.
Akteneinsicht gemäß § 13 Abs. 2 S. 2 FamFG sei zu versagen, soweit das Ausforschungsverbot des § 1758 BGB gelte. Im Zusammenhang mit der Adoption stehende Tatsachen dürften danach nur mit Zustimmung der Beteiligten oder bei Vorliegen eines besonderen öffentlichen Interesses offenbart werden. Eine Zustimmung der Beteiligten liege nicht vor und könne nach dem Tod der Annehmenden auch nicht mehr erlangt werden. Ein öffentliches Interesse sei nicht dargetan und auch nicht ersichtlich.
Die letztgenannte Vorschrift finde aufgrund der Verweisung in § 1767 Abs. 2 BGB Anwendung. Die Behauptung, die Annehmende sei geschäftsunfähig gewesen, führe zu keiner abweichenden Beurteilung. Insbesondere ergebe sich daraus keine eigene Beteiligtenstellung der Antragstellerin.
Die Annahme eines Volljährigen als Kind könne nur nach § 1759, § 1760 BGB aufgehoben werden. Dies setze einen Antrag des Beteiligten voraus, dessen Erklärung gefehlt habe oder unwirksam gewesen sei (§ 1762 BGB). Vorliegend habe daher nur die verstorbene Annehmende dieses Recht geltend machen können, ...