Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Nichtigkeit eines Testaments zugunsten eines behandelnden Arztes
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Verstoß gegen § 32 BO-Ä führt nicht zur Nichtigkeit eines Testaments zugunsten des behandelnden Arztes.
2. Zwar stellen die Regelungen in den §§ 30 ff. der Berufsordnungen der Ärztekammern Verbotsgesetze i.S.d. § 134 BGB dar. Ein Verstoß des Arztes führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit einer offenen Testierung eines Dritten, da dies eine unverhältnismäßige Einschränkung einer Testierfreiheit begründen würde.
Normenkette
BGB § 134; BOÄ § 32; GG § 14
Verfahrensgang
AG Kassel (Beschluss vom 24.05.2023; Aktenzeichen ...) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Auf die befristete Beschwerde des Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Nachlassgerichts Kassel vom 24.05.2023 abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die für die Erteilung des von den Beteiligten zu 2), 3) und 5) beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen werden für festgestellt erachtet.
Das Nachlassgericht wird angewiesen, den Beteiligten zu 2), 3) und 5) einen Erbschein entsprechend des Antrags vom 06.11.2022 zu erteilen.
Der Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1) wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten zu 2), 3) und 5) tragen die Hälfte der gerichtlichen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens als Gesamtschuldner, der Beteiligte zu 1) die weitere Hälfte der Gerichtskosten. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Erblasserin war verwitwet und kinderlos. Die einzige Schwester der Erblasserin verstarb im November 2016. Bei den Beteiligten zu 1) und 4) handelt es sich um Cousins der Erblasserin, die Beteiligte zu 6) ist die Ehefrau des Beteiligten zu 1). Der Beteiligte zu 2) war seit 1997 der Hausarzt der Erblasserin. Diese hatte dem Beteiligten zu 2) im Jahr 2017 eine Betreuungsverfügung und Vorsorgevollmacht erteilt (Bl. 251 R d.A.). Der Beteiligte zu 3) ist ein Nachbar der Erblasserin, dessen Tochter die Erblasserin pflegerisch unterstützt hatte. Die Beteiligte zu 5) ist eine Freundin der Erblasserin, die sich in den letzten Monaten um die Erblasserin gekümmert hatte.
Die Erblasserin hatte verschiedene handschriftliche Testamente errichtet.
Ein mit ihrem vorverstorbenen Ehemann errichtetes gemeinschaftliches Testament vom 20.05.2011 enthielt keine Regelungen für den Tod des Längstlebenden (Bl. 17 d. Beiakte)
Nach dem Tod ihrer noch im Testament vom 08.12.2014 (Bl. 177 d.A.) als Erbin vorgesehenen Schwester hatte die Erblasserin mit Testament vom 30.06.2017 u.a. die Beteiligten zu 1), 4) und 6) in Höhe von 20 % und den Beteiligten zu 2) in Höhe von 10 % als Erben berücksichtigt. Wegen der Verfügungen im Einzelnen wird auf das Testament (Bl. 41,112 d.A.) Bezug genommen, welches nur noch in Kopie vorliegt und nicht eröffnet wurde (Bl. 113 R d.A.).
Ein in Kopie vorliegendes Testaments vom 09.09.2018 enthielt Verfügungen zugunsten von 5 Miterben zu jeweils 20 %, darunter die Beteiligten zu 1), 2), 4) und 6) (Bl. 168, 321 d.A.). Ein privatschriftliches Testament vom 31.07.2019 wurde am 12.10.2021 aus der amtlichen Verwahrung genommen (Bl. 7,8 d.A.) und liegt noch in Kopie vor (Bl. 169 d.A.). Darin waren die Beteiligten zu 1) und 4) als Miterben zu 30 % sowie die Beteiligten zu 2) und 5) als Miterben zu 20 % vorgesehen.
In dem den Gegenstand des nunmehrigen Beschwerdeverfahrens bildenden Testament vom 20.09.2021 hatte die Erblasserin die Beteiligten zu 1) bis 5) jeweils zu Erben in Höhe von 20 % eingesetzt. Auf dem Testament hatte der Beteiligte zu 2) bestätigt, dass die Erblasserin das Testament im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte angefertigt hat (Bl. 60 d.A.). Dieses Testament hatte die Erblasserin in amtliche Verwahrung gegeben (Bl. 4, 61 d.A.) und es wurde am 04.10.2022 eröffnet (Bl. 59 d.A.). Der Beteiligte zu 1) war im Besitz einer weiteren Version des Testaments vom 20.09.2021 ohne den Bestätigungsvermerk und einer Korrektur des Datums, welches in Kopie vorliegt (Bl. 40 d.A.).
Desweiteren hatte die Erblasserin am 16.07.2018 dem Beteiligten zu 2) mit der Bezeichnung als Betreuer eine Vollmacht über ihr Barvermögen erteilt und Anordnungen für die Verteilung verbliebenen Geldes nach ihrem Tode getroffen (Bl. 153 d.A.), worauf in dem Testament vom 20.09.2021 Bezug genommen wurde.
Noch vor dem Tod der Erblasserin hatte der Beteiligte zu 5) in einer seiner Tochter übergebenen Erklärung vom 15.07.2022 ausgeführt, auf ein Erbe nach der Erblasserin zugunsten seiner Tochter zu verzichten (Bl. 24 d.A.).
Der Beteiligte zu 1) erklärte mit Schreiben vom 13.09.2022 (Bl. 37 d.A.) die Anfechtung des Testaments vom 20.09.2021 und beantragte einen Erbschein über 50 %. Hierbei hat er Zweifel an der Testierfähigkeit der Erblasserin geäußert und die Auffassung vertreten, dass Betreuer kein Erbe antreten dürften. Die Erblasserin sei zunehmend verwirrt gewesen und habe sich bestohlen gefühlt und Angst gehabt, v...