Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwendigkeit von Erörterungen zum Fahrverbot bei Zeitraum von mehr als zwei Jahren zwischen Tatbegehung und Urteil
Normenkette
OWiG § 79; StPO § 341; BKatV § 4 Abs. 1; StVG § 25; StVO § 41
Verfahrensgang
AG Rüsselsheim (Entscheidung vom 30.01.2023; Aktenzeichen 8200 Js 8179/20) |
Tenor
1. Der Beschluss des Senats vom 30. Januar 2023 in Verbindung mit dem Berichtigungsbeschluss vom 08. Februar 2023 wird aufgehoben.
2. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, die vor dem Erlass der Entscheidung vom 30. Januar 2023 bestand (§ 33 a StPO).
3. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Rüsselsheim vom 19. Juli 2022 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Betroffenen darin entstandenen notwendigen Auslagen, an das Amtsgericht Rüsselsheim zurückverwiesen.
4. Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde verworfen.
Gründe
I.
Das Regierungspräsidium Kassel hat mit Bußgeldbescheid vom 6.1.2020 gegen den Betroffenen wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 55 km/h bei erlaubten 80 km/h eine Geldbuße in Höhe von 240,- Euro festgesetzt und - verbunden mit einer Anordnung gemäß § 25 Abs. 2a StVG - ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet.
Den dagegen erhobenen Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht Rüsselsheim durch Urteil vom 22.6.2021 gemäß § 74 Abs. 2 OWiG ohne Verhandlung zur Sache verworfen, da der von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen nicht entbundene Betroffene zur Hauptverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen war (BI. 85 ff. d.A.). Auf die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 25.11.2021 (Aktenzeichen: 1 Ss-OWi 1336/21) das Urteil des Amtsgerichts Rüsselsheim vom 22.6.2021 aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Rüsselsheim zurückverwiesen.
Mit Urteil vom 19.7.2022 hat das Amtsgericht Rüsselsheim nunmehr gegen den Betroffenen wegen vorsätzlichen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße in Höhe von 480,- Euro festgesetzt sowie - verbunden mit einer Anordnung gemäß § 25 Abs. 2a StVG - ein Fahrverbot von zwei Monaten verhängt.
Gegen dieses Urteil hat der Betroffene form- und fristgerecht Rechtsbeschwerde eingelegt und diese ebenso mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet.
Die Rechtsbeschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 30. Januar 2023 verworfen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit seinem Antrag auf Nachholung des rechtlichen Gehörs.
II.
Der Antrag auf Nachholung des rechtlichen Gehörs ist begründet, da der Senat seine Entscheidung vom 30. Januar 2023 nicht begründet hatte, obwohl die Generalstaatsanwaltschaft auf die erhobene Sachrüge hin beantragt hatte, den Rechtsfolgenausspruch aufzuheben und die Sache zu neuen Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Bad Hersfeld zu verweisen.
Der Senat hat daher in der Sache neu entschieden.
Die statthafte (§ 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 OWiG), form- und fristgerecht eingelegte (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 341 StPO) und fristgerecht begründete (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 344, 345 StPO) Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat - wie aus dem Tenor ersichtlich - hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs einen vorläufigen Erfolg. Im Übrigen ist die Rechtsbeschwerde unbegründet.
1. Soweit der Betroffene gegenüber dem Urteil des Amtsgerichts Rüsselsheim vom 19. Juli 2022 die Verletzung formellen Rechts in Form einer Verletzung des § 265 StPO rügt, ist die Verfahrensrüge nicht in zulässiger Weise erhoben. Die Rechtsbeschwerdebegründung trägt unzutreffend vor, indem er den rechtlichen Hinweis des Gerichtes vom 06. Mai 2020, mit dem der Betroffene auf die Möglichkeit einer Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Begehungsweise hingewiesen wurde, verschweigt.
2. Der auf die allgemeine Sachrüge des Betroffenen hin zu überprüfende Schuldspruch ist nicht zu beanstanden. Insofern lässt die Nachprüfung des Urteils in sachlich-rechtlicher Hinsicht keinen den Betroffenen beschwerenden Rechtsfehler erkennen. Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften gemäß den §§ 41 Abs. 1 i.V.m. 49 StVO, 24, 25 StVG, § 4 abs. 1 BKatV i.V.m. Nr. 11.3.8 der Tabelle 1c des Anhangs zum BKat.
3. Hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs deckt das Urteil auf die Sachrüge hin einen Rechtsfehler auf. Die Urteilsgründe leiden an einem Erörterungsmangel:
Das Amtsgericht hat sich im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung in seinen Urteilsgründen nicht damit auseinandergesetzt, ob ein Fahrverbot trotz des Zeitablaufes zwischen Tatbegehung und Urteil von mehr als zwei Jahren noch seinen erzieherischen Zweck erfüllen kann. Auf diesen Erörterun...