Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei versäumter Rechtsmittelfrist wegen Verwendung einer unzulässigen Container-Signatur
Leitsatz (amtlich)
Die Verwendung einer Container-Signatur bei Übermittlung elektronischer Dokumente an das EGVP erfüllt seit 01.01.2018 nicht die Anforderungen aus §§ 130 Abs. 3 Alt. 1 ZPO, 4 Abs. 2 ERVV . Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nur dann gewährt werden, wenn die formunwirksame Rechtsmittelschrift so rechtszeitig bei Gericht eingeht, dass der Formmangel in angemessener Zeit bemerkt und der Rechtsmittelführer bei Bearbeitung im ordnungsgemäßen Geschäftsgang noch vor Ablauf der Rechtsmittelfrist informiert werden kann, um ein drohendes Fristversäumnis zu vermeiden.
Normenkette
ERVV § 4 Abs. 2; ZPO § 130a Abs. 3 Alt. 1, § 233
Verfahrensgang
LG Kassel (Entscheidung vom 21.12.2017; Aktenzeichen 9 O 1174/17) |
Tenor
Der Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten vom 17.05.2018 hinsichtlich der versäumten Berufungsfrist gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichtes Kassel vom 21.12.2017 wird zurückgewiesen.
Die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil wird auf ihre Kosten verworfen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Gewährleistungsansprüche aus einem notariellen Grundstückskaufvertrag vom 11.02.2011. Der Kläger wirft den Beklagten vor, ihn nicht darüber informiert zu haben, dass es mit dem Nachbarn Streit über den konkreten Grenzverlauf an der östlichen Grenze des verkauften Grundstücks A-Straße ... gebe. Er verlangt daher die Zahlung von 2.275,00 EUR für die vom Nachbarn beanspruchte Fläche von 35 qm bei einem Bodenrichtwert von 65 EUR je qm. Ferner verlangt er die Freistellung von allen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten im Verfahren .../13 vor dem Amtsgericht Kassel, in welchem der Nachbar die Herausgabe des von ihm beanspruchten Grundstücksteils verlangt. Schließlich verlangt er noch die Feststellung, dass die Beklagten im Schadensersatz zu leisten haben, weil er den Kellerraum nicht mehr nutzen könne, da der einzige Zugang über das Nachbargrundstück führe, und ihm auch alle weiteren Schäden aus dem verschwiegenen Überbau zu ersetzen seien.
Im Kern streiten die Parteien darum, ob die geltend gemachten Ansprüche dem Gewährleistungsausschluss aus V. 1. des Vertrages unterfallen und ob die Beklagten Kenntnis davon hatten, dass der Nachbar den Grenzverlauf infrage stellt.
Das Landgericht Kassel hat mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachverhalts und der dort gestellten Anträge Bezug genommen wird (Bd. I Bl. 166 - 175 d.A.), der Klage im Wesentlichen stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dass die Beklagten gemäß Ziffer V. 2. des Vertrages haften. Mit dieser Klausel werde die Gewährleistung dafür übernommen, dass der Vertragsgegenstand frei von Rechten und Ansprüchen Dritter sei. Unstreitig gehörten 35 qm nicht zum verkauften Grundstück, sondern zum Grundstück des Nachbarn. Es handele sich um das Recht eines Dritten am Grundstück, dass nicht vom Gewährleistungsausschluss gedeckt sei, sondern im Gegenteil der Übernahme der Gewähr durch die Beklagten als Verkäufer gemäß Ziffer V. 2. des Vertrages unterfalle.
Gegen dieses, dem Beklagtenvertreter am 08.03.2018 (Bd. I Bl. 178 d.A.) zugestellte Urteil hat er mit Schriftsatz vom 09.04.2018 per EGVP Berufung eingelegt. Mit weiterem Schriftsatz vom 08.05.2018, der auch per Fax am selben Tag eingegangen ist, hat er die Berufung begründet, mit der die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgen und dem Landgericht dabei eine fehlerhafte Auslegung von Ziffer V. des Vertrages vorwerfen.
Mit Schreiben vom 11.05.2018 hat die Senatsvorsitzende den Beklagtenvertreter darauf hingewiesen, dass die Einreichung der Berufungsschrift die Voraussetzungen des § 130a ZPO in der seit 01.01.2018 gültigen Fassung nicht erfüllt haben dürfte, weil es an einer qualifizierten elektronischen Signatur fehle. Daraufhin haben die Beklagten per EGVP mit Schriftsatz 17.05.2018 und nochmals mit Faxschreiben vom 23.05.2018 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Sie vertreten die Auffassung, dass die Berufungsschrift ausreichend signiert gewesen sei, weil sich die qualifizierte Signatur bei der gebotenen Bewertung nur auf die Berufungsschrift, nicht hingegen auf die nur zur Klarstellung beigefügte Ablichtung der ersten beiden Seiten der angefochtenen Entscheidung bezogen haben könne. Eine qualifizierte elektronische Signatur sei auch nur dann erforderlich, wenn der Schriftsatz nicht auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht wird. Diese Voraussetzungen erfülle aber das EGVP, da jeder Teilnehmer am elektronischen Rechtsverkehr vor Erteilung einer Signaturkarte einen öffentlichen und einen persönlichen Signaturschlüssel erwerben müsse. Die dem Inhaber ausgegebene Smartcard enthalte beide Schlüssel und könne lediglich über eine PIN allein durch den autorisierten Inhaber verwendet werden, so dass beim Signieren die Integrität u...