Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen einer Großbank
Normenkette
AktG §§ 243, 203, 186, 161, 171, 131, 241, 246a, 53a, 202
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 14.06.2010; Aktenzeichen 3/5 O 263/09) |
Tenor
Auf die Berufungen der Kläger zu 1., 2. und 3. wird das am 14.6.2010 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des LG Frankfurt/M. teilweise abgeändert und insgesamt zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 26.5.2009
zu TOP 3 "Entlastung des Vorstandes für das Geschäftsjahr 2008",
zu TOP 4 "Entlastung des Aufsichtsrates für das Geschäftsjahr 2008",
zu TOP 10 "Schaffung eines neuen genehmigten Kapitals (mit der Möglichkeit zum Bezugsrechtsausschluss u.a. gem. § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG) und Satzungsänderung" und
zu TOP 11 "Schaffung eines neuen genehmigten Kapitals zur Bar- oder Sachkapitalerhöhung (mit der Möglichkeit zum Bezugsrechtsausschluss) und Satzungsänderung"
werden für nichtig erklärt.
Im Übrigen werden die Klagen der Kläger zu 2. und 3. abgewiesen und
die weitergehenden Berufungen der Kläger zu 2. und 3. sowie die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Von den Gerichtskosten sowie den außergerichtlichen Kosten der Beklagten beider Instanzen haben die Beklagte 14/19, die Kläger zu 2. und 3. jeweils 2/19 und der Streithelfer der Kläger zu 5. 1/19 zu tragen.
Die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen der Kläger zu 1. und 4. sowie des Streithelfers der Kläger zu 6. hat die Beklagte zu tragen.
Die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen der Kläger zu 2. und 3. haben die Beklagte zu 3/5 und im Übrigen die Kläger zu 2. und 3. selbst zu tragen.
Der Streithelfer der Kläger zu 5. hat seine eigenen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen selbst zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den jeweiligen Vollstreckungsschuldnern wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Leistung einer Sicherheit i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit mehrerer auf der Hauptversammlung der Beklagten am 26.5.2009 gefasster Beschlüsse. Die Beklagte ist eine börsennotierte deutsche Großbank. Die Kläger sind Aktionäre der Beklagten.
Am 12.9.2008 schloss die Beklagte mit der A AG eine Vereinbarung über den Erwerb einer Beteiligung an der börsennotierten A-Bank AG. Am 12.9.2008 verkaufte die A 29,75 % der Aktien der A-Bank AG an die Beklagte zu einem Preis von 2,79 Mrd. EUR bzw. 57,27 EUR je Aktie. Zur Finanzierung führte die Beklagte im September 2008 eine Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital unter Ausschluss des Bezugsrechts über 40 Millionen neue Aktien zu je 55 EUR durch. Der Brutto-Emissionserlös belief sich auf insgesamt ca. 2,2 Mrd. EUR. In der Folge führte auch die A-Bank AG eine Kapitalerhöhung durch.
Am 22.12.2008 vereinbarten die Beklagte und die A AG, den Vollzug der am 12.9.2008 vereinbarten Transaktion zu verschieben. Mit Ad-hoc-Mitteilung vom 14.1.2009 gab die Beklagte bekannt, dass sie und die A AG eine Nachtragsvereinbarung betreffend den Erwerb von Aktien der A-Bank AG getroffen hätten. Nachdem die A AG von ihrem in der Nachtragsvereinbarung eingeräumten Wahlrecht (Bar- oder Sacheinlage bei der Beklagten) für den Erwerb der 50 Millionen A-Bankaktien am 21.1.2009 dahingehend Gebrauch gemacht hatte, eine Kapitalerhöhung mit gemischter Sacheinlage bei der Beklagten zu wählen, führte die Beklagte eine weitere Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital gem. § 4 Abs. 9 ihrer Satzung über 128 Millionen EUR gegen Ausgabe von 50 Millionen neuen auf den Namen lautenden Stückaktien durch. Das Bezugsrecht der Aktionäre wurde ausgeschlossen. Am 25.2.2009 schlossen die Beklagte und die A AG einen Einbringungsvertrag. Die Anmeldung der Kapitalerhöhung wurde am 6.3.2009 in das Handelsregister der Beklagten eingetragen. Mit der Übertragung der neuen 50 Millionen Aktien an die A AG finanzierte die Beklagte den Erwerb der 50 Millionen A-Bankaktien, die sie von der A AG erhielt.
Am 29.10.2008 gaben Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten eine Entsprechenserklärung gem. § 161 AktG ab, wegen deren Wortlauts auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (S. 5, Bl. 1289) Bezug genommen wird. Hinsichtlich der Behandlung von Interessenkonflikten enthielt der Aufsichtsratsbericht an die Hauptversammlung gem. § 171 Abs. 2 AktG (Anhang Jahresbericht 2008) u.a. Folgendes:
"Der Risikoausschuss befasste sich mit den nach § 15 des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG) erforderlichen Kreditgenehmigungen. Dabei nahmen diejenigen Aufsichtsratsmitglieder an der Erörterung und Abstimmung nicht teil, die zum Zeitpunkt der Beschlüsse Mitglieder der Organe des betreffenden Kreditnehmers waren. Herr Dr. C nahm an drei Beschlussfassungen des Aufsichtsrats am 29.10.2008 nicht teil, da diese ihn persönlich betrafen. Die Beschlüsse wurd...