Entscheidungsstichwort (Thema)
Widersprüchliche Angaben eines Mandanten erhöhen abrechenbaren Aufwand seines Verteidigers
Leitsatz (amtlich)
Der abrechenbare Aufwand eines mit der Verteidigung beauftragten Rechtsanwalts kann steigen, je mehr eine Beschuldigter durch sein Verhalten und seine Einlassung die Aufklärung erschwert und den Verdacht gegen ihn vertieft (hier: zur Herkunft von Bargeld in einem Koffer).
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 09.06.2023; Aktenzeichen 2-28 O 124/21) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 09.06.2023 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main, Az.: 2-28 O 124/21, teilweise abgeändert.
Die Beklagte bleibt verurteilt, an den Kläger 6.689,33 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.06.2021 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits, erster Instanz haben der Kläger 51 %, die Beklagte 49% zu tragen. Von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz haben der Kläger 43 %, die Beklagte 57 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Gebührenstreitwert für den zweiten Rechtszug wird auf 11.723,33 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Wegen des Sach- und Streitstandes wird zunächst auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO).
Der Kläger macht aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung Rückzahlungsansprüche von Anwaltshonoraren geltend, die die beklagte Rechtsanwaltskanzlei eingezogen hat und deren Begründetheit der Kläger in Abrede stellt.
1. Gegen den Kläger waren Verfahren im Zusammenhang mit zollrechtlichen und strafrechtlichen Vorwürfen eingeleitet worden, unter anderem durch die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main unter dem Az. ..., nachdem das Zollfahndungsamt Stadt1 am Flughafen in seinem Gepäck Bargeld in kleiner Stückelung im Gesamtwert von 394.050,00 EUR aufgefunden und nach § 12a Abs. 7 ZollVG zur Durchführung eines Clearingverfahrens sichergestellt hatte, weil die Behörde davon ausging, es bestehe ein Anfangsverdacht, dass das sichergestellte Geld zum Zwecke der Geldwäsche in das Ausland habe transferiert werden sollen und deshalb der Einziehung nach §§ 73 ff. StGB unterliegen könnte.
Mit Schreiben vom 04.11.2020 (Anl. B5, Anlagenband) übermittelte das Hauptzollamt Stadt1 ein Informationsblatt zur mündlichen Einleitung eines Bußgeldverfahrens wegen Ausfuhr von Barmitteln in ein Drittland. (vgl. S. 2 des Informationsblattes mit Sicherstellungsanzeige und Anlage zur Sicherungsstellunganzeige, Anlage B5 Anlagenband). Durch Beschluss vom 09.11.2020 wurde die weitere Sicherstellung des im Gewahrsam des Zolls befindlichen Bargeldbetrages bis zum 04.02.2021 (Az. ...) mit der Begründung angeordnet, die genaue Herkunft der Barmittel und deren Verwendungszweck habe nicht schlüssig erklärt und nachgewiesen werden können, insbesondere sei die legale Herkunft der Barmittel und deren Verwendungszweck nicht geklärt und belegt. Nach den Gesamtumständen bestehe Grund zu der Annahme, dass das Geld zum Zwecke der Geldwäsche habe verbracht werden sollen.
In einer E-Mail vom 27.11.2020 (Anl. B5) gab der zuvor vom Kläger beauftragte Rechtsanwalt RA1 in dessen Namen eine Stellungnahme über die Herkunft der in der Tasche sichergestellten 394.050,00 EUR ab, die nach den Angaben des Mandanten aus einer schenkweise erfolgten Überweisung seiner Mutter herrühren sollten.
2. Der Kläger beauftragte die Beklagte am 09.12.2020 mit der Vertretung seiner rechtlichen Interessen, unterzeichnete eine "Mandatsbedingungen" überschriebene Vereinbarung (Anl. K1, Teil 2, Bl. 6 d.A.), ein SEPA -Lastschriftmandat (Anl. K1, Teil 3, Bl. 7 d.A.) und schloss mit der Beklagten eine Vergütungsvereinbarung (Anl. K1, Teil 1, Bl. 5 d.A.) hinsichtlich dessen Inhaltes auf die Wiedergabe im Tatbestand der angefochtenen Entscheidung sowie insbesondere Ziff. 1 der Vereinbarung Bezug genommen wird. Unter anderem wurde ein Stundenhonorar von 400,00 EUR zuzüglich Umsatzsteuer einschließlich einer so genannten Mindestpauschale i.H.v. 2.000,00 EUR zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer vereinbart.
Am 10.12.2020 fand in der Kanzlei der Beklagten eine Besprechung mit dem Kläger statt. Rechtsanwalt RA2 verwies auf diese in seinem Schreiben vom 11.12.2020 an den Mandanten (Anl. B6, Anlagenband) und übermittelte das Schreiben des Zolls vom 09.11.2020, aus welchem sich ergab, dass das Zollfahndungsamt Stadt1 einen richterlichen Beschluss zur Verlängerung des Clearingverfahrens nach § 12a Abs. 7 ZollVG (Anl. B8, Anlagenband) beantragt hatte, erläuterte die Sach- und Rechtslage, verwies auf Ungereimtheiten im Zusammenhang mit den vorgelegten Kontoauszügen und bat am 15.12.2020 um Akteneinsicht.
Mit Schreiben vom 18.12.2020 (1,5 Seiten) informierte Rechtanwalt RA2 den Kläger und bat um Rückmeldung zu dem Schreiben und den Fragen, damit das Einschreiben an den Zoll versandt werden könne und verwies auf weitere Ungerei...