Entscheidungsstichwort (Thema)
Kennzeichnungspflicht von Influencer-Beiträgen bei Gegenleistung in Form von E-Books (Influencer E-Books)
Leitsatz (amtlich)
1. Fördert eine Influencerin durch Beiträge auf der Internetplattform Instagram und "Tap Tags" zu den jeweiligen Unternehmen deren Absatz, handelt es sich um kommerzielle Kommunikation im Sinne von § 2 S. 1 5b TMG, wenn die beworbenen E-Books der Influencerin kostenlos zur Verfügung gestellt werden.
2. Die Kennzeichnung solcher Beiträge als Werbung ist auch nicht entbehrlich. Die Vermischung von privaten und kommerziellen Darstellungen lässt den Verkehr nicht erkennen, ob es sich bei dem jeweiligen Beitrag um Werbung handelt.
Normenkette
UWG § 2 Abs. 1 Nr. 3, §§ 3, 5a Abs. 6, § 8 Abs. 3 Nr. 1, § 8c
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 31.03.2021; Aktenzeichen 2-6 O 271/20) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 31.3.2021 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert wird für die erste Instanz und das Berufungsverfahren auf 60.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Rechtmäßigkeit sog. Influencer-Werbung.
Die Klägerin ist Verlegerin mehrerer Print- und Onlinezeitschriften. Sie ist unter anderem im Anzeigengeschäft tätig und bietet in ihren Print- und Online-Zeitschriften Slots für Werbung gegen Entgelt an. Sie verfügt auch über ein Nutzerprofil auf der Internetplattform Instagram, wo sie ebenfalls ihren Kunden Werbeplatzierungen anbietet.
Die Beklagte ist sog. Influencerin. Sie betreibt das Nutzerprofil "X" auf der Internetplattform Instagram. Das Nutzerprofil der Beklagten verzeichnete im Februar 2020 über 508.000 Follower. Sie betreibt zudem mit ihrem Vater den Pod-cast "(...)".
Die Beklagte stellt zum einen Produkte und Leistungen von Unternehmen vor, für deren Präsentation sie von den fraglichen Unternehmen vergütet wird (Werbe-Postings); zum anderen veröffentlicht sie Posts, für die sie von Unternehmen nicht beauftragt ist und für die sie keine finanziellen Gegenleistungen erhält. Bei diesen verlinkt sie mittels sog. "Tap-Tags" regelmäßig auf Instagram-Accounts von Unternehmen, deren Produkte im Bild zu sehen sind (nachfolgend: Privat-Postings).
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Verweis auf ein Bündel von iBooks auf dem Instagram-Account der Beklagten Ende 2019, das sich mit veganer Ernährung befasst. Für die streitgegenständlichen Posts erhielt die Beklagte keine unmittelbare finanzielle Gegenleistung. Nachdem die Beklagte insoweit am 16.12.2019 eine Unterlassungserklärung abgegeben hatte, forderte die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 7.1.2020 (Anlage K9) wegen 16 angeblicher Verstöße gegen die Unterlassungserklärung Vertragsstrafen in Höhe von 80.016 EUR (16 × 5.001) und die Abgabe einer neuen Unterlassungserklärung mit erhöhter Vertragsstrafe, was die Beklagte ablehnte.
Die Klägerin hatte zuvor schon weitere Influencer mit einem Gegenstandswert von jeweils 100.000 EUR abgemahnt (z.B. Anlage BB9 und BB10).
Das Landgericht hat durch Urteil vom 31.3.2021, auf das gemäß § 540 Abs. 1 ZPO im Hinblick auf die tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, die Beklagte verurteilt, es bei Androhung der gesetzlich gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr unter Abbildung einer Person oder einem Bezug zu einer Person im Internet kommerzielle Inhalte, insbesondere Waren und/oder Dienstleistungen, vorzustellen, ohne die Veröffentlichung als Werbung kenntlich zu machen, sofern sich der kommerzielle Zweck nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, jeweils wenn dies geschieht wie aus dem Anlagenkonvolut K13 ersichtlich.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sei nicht nach § 8c UWG unzulässig, da das Verhalten der Klägerin unter Berücksichtigung der gesamten Umstände nicht als missbräuchlich anzusehen sei. Eine leicht überhöhte Abmahnkostenersatzforderung sei hierfür ebenso wenig ausreichend wie die Geltendmachung von Vertragsstrafenansprüchen wegen der streitgegenständlichen Verstöße in Höhe von über 80.000 EUR.
Es bestehe auch ein Wettbewerbsverhältnis, da die Parteien Mitbewerber im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG seien. Beide Parteien böten online Werbung an, weshalb austauschbare Dienstleistungen vorlägen. Der angegriffene Internetauftritt der Beklagten stelle auch eine geschäftliche Handlung dar. Durch die Texte habe die Beklagte jedenfalls das Interesse von Drittunternehmen an einem Influencer-Marketing in Kooperation mit ihr wecken wollen. Es bestehe kein Anlass, einen der Posts als privat zu behandeln, da keinerlei...