Leitsatz (amtlich)
1. Eine gesellschaftsvertragliche Regelung, die einem Gesellschafter das Recht einräumt, einen Mitgesellschafter ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes aus einer Personengesellschaft auszuschließen, verstößt gegen die guten Sitten.
2. Dies gilt nicht, wenn ein neuer Gesellschafter in eine Personengesellschaft oder ein Einzelunternehmen aufgenommen wird und das Ausschließungsrecht allein dazu dient, binnen einer angemessenen Frist die Prüfung zu ermöglichen, ob zu dem neuen Partner das notwendige Vertrauen hergestellt werden kann und ob die Gesellschafter auf Dauer in der für die gemeinsame Berufsausübung erforderlichen Weise harmonieren können.
3. Eine überlange Prüfungsfrist ist geltungserhaltend auf einen Zeitraum von 3 Jahren zu reduzieren.
Normenkette
BGB §§ 138, 242, 737
Verfahrensgang
LG Limburg a.d. Lahn (Urteil vom 06.12.2004; Aktenzeichen 1 O 683/03) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Limburg a. d. Lahn vom 6.12.2004 - 1 O 683/03 - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Auf die Widerklage des Beklagten wird festgestellt, dass die Klägerin mit Wirkung zum 31.12.2004 aus der in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts betriebenen Gemeinschaftspraxis Dres. med. A und B ausgeschieden ist, die im Wege der Gesamtrechtsnachfolge durch den Beklagten als Einzelpraxis fortgeführt wird.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 120 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 500.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit und die Folgen der Kündigung eines Vertrages über die Gründung einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis.
Die Parteien sind Fachärzte für Innere Medizin. Der Beklagte, der seit 1991 in eigener Praxis als Neurologe niedergelassen ist, hatte die Praxis bis 1992 zunächst als Einzelpraxis, bis zum 31.3.2000 in Gemeinschaft mit einem weiteren Arzt und nach dessen Ausscheiden bis zum Eintritt der Klägerin am 1.7.2000 wieder allein geführt.
Am 27.4.2000 unterzeichneten die Parteien einen Vertrag über die Errichtung einer Gemeinschaftspraxis zum 1.7.2000, wonach sie sich zur gemeinsamen Ausübung ihrer vertragsärztlichen und privatärztlichen Tätigkeit verbinden und zu diesem Zweck eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gründeten.
§ 13 Abs. 2 des Vertrages lautet:
"Die Gesellschaft kann von jedem Gesellschafter mit einer Frist von 12 Monaten zum Jahresende gekündigt werden."
§ 14 Abs. 1 des Vertrags lautet:
"Wird die Gesellschaft durch ordentliche Kündigung nach § 13 Abs. 2. aufgelöst, so hat der andere Gesellschafter das Recht, das Vermögen der Gemeinschaftspraxis ohne Liquidation mit Aktiven und Passiven gegen Zahlung einer Abfindung an den ausgeschiedenen Partner oder dessen Erben zu übernehmen und die bisherige Gemeinschaftspraxis als Einzelpraxis oder mit einem Nachfolger seiner Wahl weiterzuführen."
§ 14 Abs. 3 des Vertrages lautet:
"Abweichend von den vorstehenden Regelungen steht bei Auflösung der Gesellschaft - gleich aus welchem Grund - das Übernahmerecht bis 31.12.2001 in jedem Fall Herrn Dr. A zu, es sei denn, dass der Weiterführung der Praxis durch ihn rechtliche oder tatsächliche Hinderungsgründe entgegenstehen. Dies gilt für den Fall der außerordentlichen Kündigung auch dann, wenn Frau Dr. C (die Klägerin) zur Kündigung berechtigt war."
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf Bl. 12 bis 28 d.A. Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 10.2.2003 drohte der Beklagte die Kündigung des Vertrages an. Wörtlich heißt es in diesem Schreiben:
"Abschließend möchte ich jedoch nochmals bekräftigen, dass ich zu einer Beendigung unserer gemeinsamen Tätigkeit in jedem Fall entschlossen bin. Dies wird notfalls auch durch fristgemäße Kündigung unseres Gesellschaftsvertrages erfolgen.
Ich hoffe jedoch, dass es zu diesem Schritt nicht kommen muss, da Deine fachliche Qualifikation es Dir sicherlich ermöglichen wird, recht schnell einen anderen Wirkungskreis zu erschließen. Dabei ist es sicherlich hilfreich, wenn dies von Dir aus einer ungekündigten Position heraus erfolgen kann.
Die ordentliche fristgemäße Kündigung durch mich muss erst Ende dieses Jahres erfolgen, sodass hinreichend Zeit ist, gemeinsam eine einvernehmliche Auseinandersetzung zu gestalten."
Da eine einvernehmliche Beendigung der Zusammenarbeit nicht zustande kam, kündigte der Beklagte den Gesellschaftsvertrag mit Schreiben vom 12.12.2003 zum 31.12.2004 ordentlich und erklärte zugleich unter Berufung auf § 14 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 des Gemeinschaftspraxisvertrages die Übernahme der Gemeinschaftspraxis.
Die Klägerin hat behauptet, sie habe ihre ...