Entscheidungsstichwort (Thema)
Arglist-Zurechnung bei Handeln gemeindlicher Organe
Leitsatz (amtlich)
Eine fiskalisch handelnde Gemeinde als juristische Person muss sich das Wissen aller ihrer vertretungsberechtigten Organwalter zurechnen lassen.
Normenkette
BGB § 463 S. 2, §§ 31, 89
Verfahrensgang
LG Limburg a.d. Lahn (Aktenzeichen 4 O 347/99) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 28.3.2000 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Limburg a.d. Lahn wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert der Beschwer beträgt 50.000 DM.
Gründe
Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Die Berufung ist zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Der Sache nach hat sie aber keinen Erfolg.
Das LG hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt.
Der Anspruch der Klägerin folgt aus § 463 S. 2 BGB i.V.m. §§ 31, 89 BGB. Das. Vorhandensein eines Fehlers i.S.v. § 459 Abs. 1 S. 1 BGB bei Abschluss des Kaufvertrages vom 17.5.1993 ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Ausführungen des LG zum arglistigen Verschweigen dieses Fehlers durch die Beklagte sind zutreffend. Das gilt insb. für die Wissenszurechnung im Hinblick auf den 1. Stadtrat der Beklagten, der in einem Vorgang im Jahre 1992, also vor der Beurkundung des Kaufvertrages, bereits von dem Erfordernis brandschutztechnischer Maßnahmen gesprochen hatte, die identisch mit den Baumaßnahmen sind, für die die Klägerin vorliegend Kostenersatz beansprucht.
Dabei kann es keine Rolle spielen, ob der für die Beklagte bei Vertragsschluss aufgetretene Amtmann ebenfalls dieses Wissen vom Fehler besaß, da insoweit auf den 1. Stadtrat abzustellen ist. Eine fiskalisch handelnde Gemeinde als juristische Person muss sich das Wissen aller ihrer vertretungsberechtigten Organverwalter zurechnen lassen (vgl. BGH v. 8.12.1989 – V ZR 246/97, BGHZ 109, 327 = MDR 1990, 323 = JZ 1990, 548 [549]). Das Wissen schon eines in der Angelegenheit vertretungsberechtigten Organmitglieds ist als Wissen des Organs anzusehen und damit auch der juristischen Person zuzurechnen. Das gilt auch, wenn das Organmitglied an dem betreffenden Rechtsgeschäft nicht selbst mitgewirkt hat, und die Wissenszurechnung kommt selbst dann in Betracht, wenn der Organvertreter von dem zu beurteilenden Rechtsgeschäft nichts gewusst hat (vgl. BGH v. 8.12.1989 – V ZR 246/97, BGHZ 109, 327 = MDR 1990, 323 = JZ 1990, 548 [549]). Auch das Ausscheiden des Organvertreters aus dem Amt steht der Fortdauer der Wissenszurechnung nicht entgegen (vgl. BGH v. 8.12.1989 – V ZR 246/97, BGHZ 109, 327 = MDR 1990, 323 = JZ 1990, 548 [549]). Zur Begründung hat der BGH zu Recht darauf verwiesen, dass es jedenfalls für die Frage der Risikoverteilung bei Grundstücksgeschäften im Interesse des Verkehrsschutzes geboten erscheint, der Gemeinde das ihr durch Organvertreter einmal vermittelte, typischerweise aktenmäßig festgehaltene Wissen auch weiterhin zuzurechnen. Nur so lässt sich nach Auffassung des BGH die strukturelle Besonderheit der organisatorischen Aufspaltung gemeindlicher Funktionen in personeller und zeitlicher Hinsicht ausgleichen (s. BGH v. 8.12.1989 – V ZR 246/97, BGHZ 109, 327 = MDR 1990, 323 = JZ 1990, 548 [549]). Schließlich weist der BGH zutreffend darauf hin, dass der Bürger, der mit der Gemeinde einen wirtschaftlich bedeutsamen Vertrag schließt, im Prinzip nicht schlechter gestellt werden darf, als wenn er es nur mit einer einzigen natürlichen Person zu tun hätte. Diese Wissenszurechnung wird denn auch von der Beklagten mit der Berufung nicht im Einzelnen angegriffen.
Angesichts der Kenntnis der Beklagten vom Fehler ist ihre Erklärung im notariellen Kaufvertrag vom 17.5.1993 in § 6, wonach ihr Mängel nicht bekannt seien, als arglistige Täuschung i.S.d. § 463 S. 2 BGB durch Vortäuschen der Abwesenheit von Fehlern zu werten. Dem steht nicht entgegen, dass in § 1 des Kaufvertrages auf einen Sanierungsvermerk in Abt. II hingewiesen wird, zumal in § 4 lediglich von einer Modernisierung des Gebäudes die Rede ist. Brandschutztechnische Mängel sind damit jedenfalls nicht offen und für die Klägerin erkennbar angesprochen worden.
Soweit die Berufung in diesem Zusammenhang rügt, das Urteil sei widersprüchlich, weil es zum einen das Unterbleiben einer Mitteilung über den Fehler als unstreitig darstelle und dann im Gegensatz hierzu eine Beweisaufnahme über die Kenntnis der Klägerin durchführe, beruht dies auf einem Missverständnis der diesbezüglichen Ausführungen des LG. Wenn das LG nämlich darlegt, dass eine solche Mitteilung an die Klägerin „unstreitig bei Vertragsschluss nicht erfolgt” ist, bedeutet dies lediglich, dass bei Abschluss des notariellen Kaufvertrages eine solche Mitteilung nicht erfolgt ist. Außerdem verwechselt die Beklagte dabei die Beweislastverteilung bei § 463 S. 2 BGB und bei § 460 BGB. Hier hat das LG wiederum zu Recht angenommen, dass die Haftung der Beklagten ni...