Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässige Sondervergütung aus einem Versicherungsvertrag (hier: 50 EUR-Amazon-Gutschein)
Leitsatz (amtlich)
Nach dem Wortlaut von § 48b VAG ist entscheidend, dass der Gesamtwert von 15 EUR pro Versicherungsverhältnis und Kalenderjahr nicht überschritten wird. Das bedeutet, dass sich bei einer Mindestlaufzeit von mehreren Jahren die zulässige Sondervergütung grundsätzlich entsprechend erhöhen kann. Gibt es jedoch die Möglichkeit, den Vertrag vor Ablauf der Mindestlaufzeit zu kündigen, dürfen nur jeweils 15 EUR im jeweiligen Vertragsjahr gezahlt werden. Es kommt maßgeblich darauf an, für welchen Zeitraum der Versicherungsnehmer mindestens gebunden, nicht welche Vertragslaufzeit ursprünglich vereinbart worden ist.
Normenkette
VAG § 48b
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 27.03.2020; Aktenzeichen 3-10 O 97/19) |
Tenor
Die Berufungen des Klägers und der Beklagten werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 20% und die Beklagte 80% zu tragen.
Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,- EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Parteien streiten über wettbewerbsrechtliche Ansprüche im Zusammengang mit Sondervergütungen beim Abschluss von Versicherungen.
Der Kläger ist als Versicherungsvermittler tätig und bietet seine Leistungen über die Website www.(...).de an. Die Beklagte ist ein bundesweit tätiges Versicherungsunternehmen.
Die Beklagte warb im Jahr 2019 auf ihrer Internetseite www.(xxx).de für den Abschluss einer Risikolebensversicherung unter anderen mit folgender Angabe:
"Bis 17.03.: 50 Euro Amazon.de Gutschein*"
In der Auflösung des Sternchenhinweises wird erläutert, dass der Gutschein beim Online-Abschluss einer Risikolebensversicherung mit einer Mindestversicherungssumme von 100.000,- EUR gilt und dass er zwei Monate nach Versicherungsbeginn ausgehändigt wird, sofern bis dahin der Beitrag gezahlt und der Vertrag ungekündigt ist (vgl. Anlage K2). Die beworbene Risikolebensversicherung konnte nur mit einer Mindestvertragslaufzeit von fünf Jahren abgeschlossen werden. Die Beklagte wies in dem Internetangebot jedoch darauf hin, dass der Vertrag bereits nach dem ersten Jahr beendet werden kann.
Die BaFin ist gegenüber der Werbung bislang nicht eingeschritten. Auf die entsprechende Korrespondenz mit der Beklagten wird Bezug genommen (Anlage BLD 4).
Der Kläger hält das Angebot wegen Verstoßes gegen § 48b VAG für wettbewerbswidrig. Er mahnte die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 12.3.2019 erfolglos ab (Anlage K3). Im Anschluss beantragte er beim Landgericht Frankfurt eine einstweilige Verfügung gegen die Beklagte. Die 6. Zivilkammer Frankfurt wies den Eilantrag mit Beschluss vom 15.5.2019 zurück (Az. .../19). Der Kläger verfolgt seine Ansprüche mit der vorliegenden Hauptsacheklage weiter.
Die Beklagte ist der Auffassung, eine unzulässige Sondervergütung liege nicht vor. Jedenfalls unterliege der Gutschein der Geringwertigkeitsschwelle.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen.
Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen als Versicherungsunternehmen mit 50-Euro-amazon.de-Gutscheinen für den Online-Abschluss einer Risikolebensversicherung zu werben, so wie auf www.(xxx).de geschehen und in Anlage K2 wiedergegeben. Ferner hat es die Beklagte zur Erstattung von Abmahnkosten verurteilt. Soweit der Kläger auch Auskunftserteilung und Schadensersatzfeststellung verlangt hat, hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
Gegen diese Beurteilung wenden sich beide Parteien mit der Berufung. Die Beklagte verfolgt ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger begehrt eine Verurteilung der Beklagten auch zur Auskunftserteilung und die Feststellung der Schadensersatzpflicht. Rechtskräftig ist die Entscheidung des Landgerichts, soweit es einen Teil der Abmahnkosten abgewiesen hat (1,3- anstatt 1,5-Gebühr).
Im Berufungsverfahren wiederholen und vertiefen die Parteien ihr Vorbringen.
Der Kläger trägt ergänzend vor, es sei wahrscheinlich, dass ihm durch die beanstandete Werbung der Beklagten potentielle Kunden entgangen seien. Die Beklagte sei ein Direktversicherer und vertreibe ihre Produkte - wie der Kläger - ausschließlich online. Er behauptet, er gewinne mit großem Erfolg über das Internet bundesweit eine hohe Anzahl von Neukunden. In diesem Zusammenhang...