Entscheidungsstichwort (Thema)
Unlautere Werbung mit Spezialisierungshinweisen eines Rechtsanwalts; Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; Passivlegitimation
Leitsatz (amtlich)
1. Der Vorwurf einer missbräuchlichen (§ 8 Abs. 4 UWG) Mehrfachverfolgung bzw. Verfahrensspaltung lässt sich nicht allein damit begründen, dass zwei miteinander beruflich nicht verbundene Rechtsanwälte, vertreten durch denselben Prozessbevollmächtigten, in getrennten Verfahren gegen die als unlauter beanstandete Werbung eines weiteren Anwalts mit unterschiedlichen Unterlassungsanträgen vorgehen.
2. Die Werbeaussage eines Anwalts, er sei "spezialisierter Rechtsanwalt für Arbeitsrecht", ist irreführend, wenn dem Anwalt die Befugnis zur Führung des Titels "Fachanwalt für Arbeitsrecht" nicht verliehen worden ist und er auch nicht darlegen kann, sämtliche Voraussetzungen für die Verleihung dieser Befugnis zu erfüllen.
3. Sonstige Hinweise des Anwalts darauf, dass er sich auf bestimmte Rechtsgebiete spezialisiert habe, können dagegen zulässig sein, wenn sie nach dem Gesamtzusammenhang vom angesprochenen Verkehr als Hinweis auf die schwerpunktmäßige Ausrichtung verstanden werden, ohne dass dies zwingend mit besonderen Kenntnissen einhergeht, die denen eines Fachanwalts entsprechen.
4. Ein in einer Anwaltskanzlei angestellter Rechtsanwalt ist für Wettbewerbsverstöße auf der Homepage der Kanzlei nur dann wettbewerbsrechtlich verantwortlich, wenn er bestimmenden Einfluss auf den Inhalt der Homepage hatte; die bloße Duldung dieses Inhalts reicht für die Passivlegitimation selbst dann nicht aus, wenn sich die wettbewerbswidrigen Aussagen auf die Person des angestellten Anwalts beziehen.
Normenkette
UWG § 4 Nr. 11, §§ 5, 8 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Gießen (Urteil vom 29.11.2013; Aktenzeichen 3 O 152/13) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 29.11.2013 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Gießen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgelds bis zu 250.000 EUR für jeden Fall der Zuwiderhandlung, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr wörtlich oder sinngemäß damit zu werben, dass sie spezialisierte Rechtsanwältin für Arbeitsrecht ist, wie geschehen mit der mit (c) markierten Aussage in der zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.3.2015 gereichten Anlage K14.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 7/8 der Kläger und zu 1/8 die Beklagte zu 1 zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 haben 3/4 der Kläger zu 1/4 die Beklagte zu 1 selbst zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2 hat der Kläger zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte zu 1 kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 5.000,00 abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit bestimmter Werbeaussagen auf den Internetseiten der Beklagten zu 1.
Hinsichtlich des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen.
Das Landgericht hat die Beklagten verurteilt, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr wörtlich damit zu werben,
(a) dass sie sich auf das Arbeitsrecht spezialisiert haben,
(b) dass sie eine spezialisierte Anwaltskanzlei für Arbeitsrecht sind,
(c) dass sie spezialisierte Rechtsanwälte für Arbeitsrecht sind oder
(d) dass sie über eine hohe fachliche Spezialisierung im Arbeitsrecht verfügen.
Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Gegen diese Beurteilung wenden sich die Beklagten mit der Berufung. Im Berufungsrechtszug wiederholen und vertiefen die Parteien ihr Vorbringen. Dem Beklagten zu 2 ist während des laufenden Berufungsverfahrens am 2.9.2014 von der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main die Befugnis verliehen worden, die Bezeichnung Fachanwalt für Arbeitsrecht zu führen.
Der Senat hat den Kläger mit Verfügung vom 4.3.2015 auf Bedenken hinsichtlich der bisherigen Antragstellung und der darauf beruhenden Tenorierung im landgerichtlichen Urteil hingewiesen.
Die Beklagten beantragen, unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Gießen vom 29.11.2013, Az. 3 O 152/13, die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu 1 zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr wörtlich oder sinngemäß damit zu wer...