Normenkette
StGBEG Art. 316h; StGB §§ 73, 73c, 76a; StPO § 331 Abs. 1; GVG § 121 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
AG Hamburg (Entscheidung vom 24.07.2017; Aktenzeichen 619 Ns 30/17 - 4105 Js 284/17) |
Tenor
Dem Bundesgerichtshof wird gemäß § 121 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 1 b) GVG folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:
Schließt das Verbot der Verschlechterung (§ 331 Abs. 1 StPO) die erstmalige Anordnung einer Einziehung von Taterträgen oder des Wertes von Taterträgen (§§ 73, 73c StGB in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017) durch das Berufungsgericht auf die allein vom Angeklagten geführte Berufung auch dann aus, wenn eine selbständige Anordnung gemäß § 76a StGB möglich ist?
Gründe
I.
Das Amtsgericht Hamburg hat den Angeklagten als Jugendschöffengericht mit Urteil vom 24. Juli 2017 wegen Betruges in zwei Fällen, davon in einem Fall versucht, zu einer Jugendstrafe von einem Jahr verurteilt. Die Vollstreckung der Jugendstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Maßnahmen der Vermögensabschöpfung nach den §§ 73 ff. StGB wurden nicht getroffen und auch in den Urteilsgründen nicht erörtert. Die nur von dem Angeklagten geführte, auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung hat das Landgericht mit Urteil vom 11. Dezember 2017 verworfen. Die von der Staatsanwaltschaft beantragte Anordnung einer Einziehung des - aus der vollendeten Tat stammenden -Tatertrages in Höhe von 30.000,- € hat die Kammer unter Hinweis auf das Verbot der Verschlechterung (§ 331 Abs. 1 StPO) abgelehnt. Beschränkt auf dieses Absehen von einer Wertersatzeinziehung wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer von der Generalstaatsanwaltschaft vertretenen, auf die Sachrüge gestützten Revision gegen das Urteil und beantragt, das Urteil insoweit aufzuheben und die Sache an eine andere Kammer zurückzuverweisen.
II.
Der Senat beabsichtigt, der wirksam beschränkten Revision stattzugeben, da er der Auffassung ist, dass die Anordnung der Einziehung durch das Berufungsgericht aus den nachfolgenden Gründen hätte erfolgen müssen und einer solchen Anordnung auch nicht das Verschlechterungsverbot entgegensteht:
a) Die Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen richtet sich vorliegend gemäß Art. 316h EGStGB nach § 73c StGB in der seit dem 1. Juli 2017 geltenden Fassung des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017. Eine Entscheidung über die Anordnung des Verfalls war bis zum 1. Juli 2017 noch nicht ergangen, so dass die Ausnahmeregelung des Art. 316h S. 2 EGStGB nicht eingreift.
Die Vorschriften über die Einziehung von Taterträgen sind auch im Jugendstrafrecht anwendbar. Mangels abweichender Regelungen in § 8 Abs. 3 JGG und § 6 JGG ergibt sich dies aus der Verweisung in § 2 Abs. 2 JGG (s. zum Verfall BGH, Urteil vom 17. Juni 2010 - 4 StR 126/10, BGHSt 55, 174).
b) Gemäß § 73c StGB n.F. ist die Einziehung eines Geldbetrages, der dem Wert des Erlangten entspricht, - abgesehen von hier ersichtlich nicht einschlägigen Opportunitätserwägungen (§ 421 StPO) - zwingend anzuordnen, wenn die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich ist.
Die Voraussetzungen einer entsprechenden Anordnung liegen vor: Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hat der Angeklagte in dem vollendeten Betrugsfall dem Geschädigten ein Kraftfahrzeug zu einem Preis von 30.000,- € verkauft und eine entsprechende Barzahlung entgegengenommen, ohne jemals über ein entsprechendes Fahrzeug verfügt zu haben. Den Urteilen des Amtsgerichts und der Kammer ist weiterhin zu entnehmen, dass der Angeklagte das Geld ausgegeben hat.
c) Das Verschlechterungsverbot des § 331 Abs. 1 StPO steht einer solchen Anordnung - anders als nach der bis zum 30. Juni 2017 geltenden Rechtslage - nicht (mehr) entgegen, soweit eine selbständige Anordnung gemäß § 76a StGB zulässig ist (HansOLG Urteil vom 5. April 2018 - 1 Rev 7/18, obiter dictum; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 331 Rn. 21; Köhler/Burkhard, NStZ 2017, 665, 670 f.; offengelassen HansOLG, Urteil vom 19. April 2018 - 2 Rev 6/18).
(1) Das Verschlechterungsverbot soll verhindern, dass der Angeklagte von den ihm zustehenden Rechtsmitteln nur deshalb keinen Gebrauch macht, weil er mit Nachteilen durch die Rechtsmitteleinlegung rechnen muss. Das Verschlechterungsverbot geht daher ins Leere, soweit Rechtseinbußen unabhängig von der Rechtsmitteleinlegung, also auch im Falle eines rechtskräftigen Abschlusses des Verfahrens drohen. So verhält es sich bei der Einziehung der Taterträge und des Wertes der Taterträge, soweit diese auch selbständig und nachträglich angeordnet werden müssen. Die Vorschrift des § 76a Abs. 1 StGB ordnet eine solche selbständige Einziehung obligatorisch an, wenn wegen der Straftat keine bestimmte Person verfolgt oder verurteilt werden kann. Der Gesetzgeber hat die einschränkende Bedingung für eine selbständige Anordnung, dass nämlich die Strafverfolgung "aus tatsächliche...