Normenkette
BGB § 249
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 29.10.2021; Aktenzeichen 306 O 318/20) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 29.10.2021, Az. 306 O 318/20, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 13.475,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.5.2020 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.029,35 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.5.2020 zu bezahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz zu tragen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 13.475,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Von der Darstellung tatbestandlicher Feststellungen wird gemäß den §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.
1. Der Kläger begehrt von der Beklagten zunächst zu Recht Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 13.475,00 EUR für den Zeitraum vom 13.1.2020 bis zum 31.3.2020.
a) Der Bundesgerichtshof bejaht im Grundsatz in ständiger Rechtsprechung einen Anspruch auf Entschädigung für den Fortfall der Nutzungsmöglichkeit von Kraftfahrzeugen. Nach der Verkehrsauffassung und allgemeiner Rechtsauffassung stellt die Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs grundsätzlich ein vermögenswertes Gut dar und ist als geldwerter Vorteil anzusehen, sodass sich bei vorübergehender Entziehung ein Vermögensschaden ergeben kann. Dies ergibt sich vor allem daraus, dass die Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeugs innerhalb und außerhalb des Erwerbslebens geeignet ist, Zeit und Kraft zu sparen und damit - in Unabhängigkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln - das Fortkommen im allgemeinsten Sinne zu fördern (BGH, Urteil vom 23.1.2018, VI ZR 57/17 - juris Rn. 7).
b) Einen Fortfall der Nutzungsmöglichkeit des bei dem Verkehrsunfall vom 13.1.2020 beschädigten und auch privat genutzten Fahrzeug des Klägers hat es hier für mindestens 77 Tage gegeben. Der betroffene Bentley war gemäß dem Schadengutachten der Anlage K 1 zunächst nicht mehr verkehrssicher und befand sich sodann vom 14.1.2020 bis zur Rückgabe an den Kläger am 31.3.2020 in der Werkstatt von Bentley Hamburg.
Zwar muss die Entbehrung der Nutzung auch deshalb "fühlbar" geworden sein, weil der Geschädigte das Fahrzeug mangels eines weiteren geeigneten Kraftfahrzeugs für seine alltägliche Lebensführung wirklich gebraucht hätte (BGH, Urteil vom 23.1.2018, VI ZR 57/17 - juris Rn. 8). Das war hier aber der Fall.
aa) Die Schadensminderungspflicht gebietet nur den Einsatz eines Zweitwagens, wenn dies möglich und zumutbar ist (vgl. zuletzt OLG Frankfurt, Urteil vom 21.7.2022, 11 U 7/21 - juris Rn. 34). Insofern kann zwar auch die Nutzung eines kleineren und weniger komfortablen Ersatzwagens zumutbar sein, da es auf die Beeinträchtigung des Fahrvergnügens nicht ankommt (OLG Frankfurt aaO). Erforderlich bleibt aber zum einen, dass es sich um einen fahrfähigen Wagen handelt sowie zum anderen, dass Zumutbarkeit hinsichtlich der üblichen Fahrzwecke besteht. Das war vorliegend weder hinsichtlich des BMW noch hinsichtlich des McLaren der Fall. Bei dem McLaren 720 handelt es sich um einen Sportwagen mit erheblichen Einschränkungen beim Laderaum, der zudem nicht mit Winterreifen, sondern mit Semi Slick-Reifen ausgestattet war. Es erschließt sich dem Gericht ohne weiteres, wenn dieser vom Kläger nicht für Alltagsfahrten in den Wintermonaten genutzt wird; dies ist auch nicht als zumutbar zu erachten. Auch ein Einsatz des BMW 318 compact war dem Kläger nicht zumutbar. Bereits in dem vom Kläger für dieses Fahrzeug vorgelegten Kaufvertrag vom 7.10.2019 heißt es, dass das Fahrzeug "diverse Mängel" aufweise und nur "bedingt fahrbereit" sei. Nach der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme steht insoweit zur Überzeugung des Senats fest, dass die Kupplung des BMW bereits im Oktober 2019 "an der Verschleißgrenze" war und "durchrutschte", wie der Verkäufer, der Zeuge W. glaubhafte bekundete. Der Zeuge W. hat in diesem Zusammenhang nachvollziehbar angegeben, dass aus seiner Sicht der BMW bereits im Oktober 2019 nur noch für kurze Strecken fahrbereit gewesen sei, "wenn man vorsichtig gefahren ist und das Fahrzeug nicht zu warm wurde". Der Zeuge G., der erklärte, den BMW während der Besitzzeit des Klägers ein paar Mal gefahren zu sein, hat daneben bekundet, dass das Fahrzeug nach seinem Eindruck "allein wegen der rutschenden Kupplung nicht als Alltagsfahrzeug" verwendbar gewesen sei. Hinzu kommt schließlich, dass auch für den BMW unstreitig keine Winterreifen vorhanden waren, der Ausfall des Bentley aber in den Monaten Januar bis März stattgefunden hat. Der Senat hat in der Gesamtschau deshalb keine Zweifel am Wahrheitsgehalt der Aussage des persönlich angehörten Klägers, nach der e...