Entscheidungsstichwort (Thema)
Ort der Tat. Berücksichtigung ausländischen Strafrechts bei der Strafzumessung
Leitsatz (amtlich)
1.) Ort der Tathandlung im Sinne des § 9 Abs. 1 StGB ist bei einer im Internet verbreiteten Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 1 StGB der Aufenthaltsort des Täters und weder der Ort, an dem die durch mediale Übertragung transportierte Handlung ihre Wirkung entfaltet, noch der Standort des vom Täter angewählten Servers (Anschluss an BGH, Beschluss vom 19.08.2014 - 3 StR 88/14 - ). Die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts nach §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB kann bei einer im Ausland begangenen Volksverhetzung nicht durch die bloße Möglichkeit gerechtfertigt werden, dass diese Volksverhetzung Auswirkungen auf den öffentlichen Frieden im Inland zeitigt (Anschluss an BGH, Beschluss vom 03.05.2016 - 3 StR 449/15 -).
2.) Bei der Beurteilung von gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB nach dem Strafrecht der Bundesrepublik Deutschland verfolgbaren Taten muss das Gericht bei der Strafzumessung regelmäßig Rücksicht auf Art und Maß des am ausländischen Tatort geltenden Strafrechts nehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 03.05.2016, a.a.O.).
Normenkette
StGB §§ 3, 7 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1, § 130 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Dortmund (Aktenzeichen 45 Ns 255/16) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird im Strafausspruch aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Unna hat den Angeklagten am 11.10.2016 wegen Volksverhetzung sowie wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist.
Dieses Urteil hat das Landgericht auf die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten mit Urteil vom 04.10.2017 unter Verwerfung der Berufung im Übrigen dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte wegen Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt wurde, deren Vollstreckung wiederum zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Hierbei hat das Landgericht zur Sache folgende Feststellungen getroffen:
"Am 23.06.2014 veröffentlichte der Angeklagte unter Verwendung seines Facebook-Profils, welches nebenstehend auch ein Porträtfoto von ihm beinhaltete, im Internet für jedermann einsehbar folgenden Text unter Nennung seines Namens H:
"Wenn man für jeden von den Zionisten ermordeten Palästinenser 10 Juden töten würde, hätte sich das Nahostproblem schon lange erledigt und die Völker der Welt wären glücklich ..."
Unter diesem Satz stand in englischer Sprache folgendes Datum:
"June 23 at 3:25 pm"."
Weiter ergibt sich aus den schriftlichen Urteilsgründen, dass der Angeklagte sich insbesondere dahingehend eingelassen und ein Zeuge bestätigt hat, dass der Angeklagte sich am Tattag in den Niederlanden aufgehalten habe und deshalb den ganzen Tag nicht im Internet gewesen sei, und dass das Landgericht sich gleichwohl davon überzeugt hat, dass der Angeklagte die in Rede stehende Botschaft verfasst und ins Netz gestellt hat; "denn der Angeklagte konnte dies - worauf bereits das Amtsgericht zutreffend hingewiesen hat - von jedem internetfähigen Computer oder Smartphone getan haben, egal ob er sich in Holland oder in Deutschland aufhielt."
Gegen das Urteil des Landgerichts wendet sich der Angeklagte mit der Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben sowie den Angeklagten freizusprechen.
Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt, die Revision als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
Die Revision des Angeklagten ist zulässig und hat im Hinblick auf den Rechtsfolgenausspruch - im Übrigen ist die Revision offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO - vorläufig Erfolg. Im Umfang der Aufhebung war die Sache nach § 354 Abs. 2 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückzuverweisen.
1.
Hinsichtlich des Schuldspruchs bedarf näherer Begründung lediglich die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts, da sich dem Urteil keine konkrete Feststellung dazu entnehmen lässt - nämlich für die Strafkammer ersichtlich unerheblich war -, ob sich der Angeklagte bei Begehung der Tat im Bundesgebiet aufgehalten hat (und dann unproblematisch nach deutschem Recht abzuurteilen wäre), oder ob er sich in den Niederlanden befunden hat:
a. Sollte sich der Angeklagte in den Niederlanden aufgehalten haben - Ort der Tathandlung ist insofern der Aufenthaltsort des Täters und weder der Ort, an dem die durch mediale Übertragung transportierte Handlung ihre Wirkung entfaltet, noch der Standort des vom Täter angewählten Servers (vgl. BGH, Beschluss vom 19.08.2014 - 3 StR 88/14 -, m.w.N., juris; krit. Becker, NStZ 2015, 83; Hecker, JuS 2015, 274) - folgt die Anwendbarkeit deutschen Strafrec...