Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftraum. Einzelunterbringung. Pflegeabteilung. Justizvollzugskrankenhaus. Hilfsbedürftigkeit
Leitsatz (amtlich)
Befindet sich ein Strafgefangener in einer Pflegeabteilung des Strafvollzuges, so hat er keinen generellen Anspruch auf Einzelunterbringung. § 65 StVollzG überlagert insoweit § 18 StVollzG.
Normenkette
StVollzG §§ 18, 65, 201
Verfahrensgang
LG Dortmund (Aktenzeichen 91 StVK 53/12) |
Tenor
1.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
2.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Der Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung vom 25.06.2012 wird zurückgewiesen.
3.
Die Kosten Verfahrens vor dem Landgericht und die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens werden dem Betroffenen nach einem Gegenstandswert von 500 Euro auferlegt.
Gründe
I.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer die Einzelunterbringung des Betroffenen auf dessen Antrag angeordnet. Nach ihren Feststellungen befindet sich der Betroffene sei November 2011 aus gesundheitlichen Gründen auf einer Pflegestation im Justizvollzugskrankenhaus G. Dabei handele es sich um keine dem Krankenhausbereich zugeordnete Einrichtung, sondern um eine Einrichtung des geschlossenen Vollzuges, die der dauerhaften Vollstreckung von Strafen diene. Der Betroffene sei zunächst in einem Haftraum (einem Zweibettkrankenzimmer von 19,20 qm Fläche zzgl. eines Sanitärbereichs von 2,77 qm) alleine, dann vom 03.01. bis 21.01.2012 und vom 21.06. bis zum 10.07.2012 zusammen mit einem anderen Gefangenen dort inhaftiert gewesen, im Übrigen wiederum alleine. Dies hänge von der jeweiligen Belegungssituation ab. Der Betroffene werde bis zum Ende seiner Haftzeit auf der Pflegestation verbleiben. Bei ihm besteht Gangunsicherheit mit Sturzgefahr sowie eine nicht selbstbeherrschte insulinpflichtige Diabetes.
Die Strafvollstreckungskammer hat zur Begründung ihrer Entscheidung ausgeführt, dass die Belegung des Haftraumes mit einem zweiten Gefangenen § 18 Abs. 1 S. 1 StVollzG widerspreche. Die Ausnahmeregelung des § 18 Abs. 1 S. 2 StVollzG greife nicht ein, da der Betroffene nicht suizidgefährdet und auch nicht im Sinne dieser Regelung hilfsbedürftig sei. Eine Hilfsbedürftigkeit in dem Sinne, dass es eines zweiten Gefangenen bedürfe, bestehe nicht, wie sich schon daran zeige, dass der Betroffene nicht durchgängig gemeinschaftlich untergebracht werde. Auch § 18 Abs. 2 StVollzG greife nicht ein, da eine voraussehbare Überbelegung die gemeinschaftliche Unterbringung nicht rechtfertigen könne.
Gegen die Entscheidung wendet sich der Leiter des Justizvollzugskrankenhauses mit der Rechtsbeschwerde. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts. Der Betroffene sei hilfsbedürftig. Ihm müssten vom Personal Insulin und andere Medikamente verabreicht werden und er bedürfe krankengymnastischer Übungen. § 18 Abs. 1 S. 2 StVollzG setze nicht voraus, dass die erforderliche Hilfestellung vom Mitgefangenen zu leisten ist. Außerdem liege der Ausnahmetatbestand des § 18 Abs. 2 S. 2 StVollzG vor, wenn ein entsprechender Aufnahmebedarf gegeben sei.
Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hat ausgeführt, dass der Anwendungsbereich des § 18 StVollzG teleologisch zu reduzieren sei. Auch außerhalb des Vollzuges sei eine gemeinschaftliche Unterbringung in Pflegeheimen normal.
II.
Der Senat hat die Rechtsbeschwerde nach § 116 StVollzG zur Fortbildung des Rechts zugelassen, um Leitsätze für die Auslegung des § 18 StVollzG aufzustellen. Zu der Frage, ob die dort genannten Unterbringungsgarantien auch im Falle einer Verlegung in eine Pflegeabteilung innerhalb des Vollzuges gelten, gibt es - soweit ersichtlich - noch keine obergerichtliche Rechtsprechung.
III.
Die auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie zur Zurückweisung des Antrags des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung.
1.
Der Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung - soweit man ihn als Vornahmeantrag auslegt - hat schon deswegen keinen Erfolg, weil der Betroffene nach seiner Antragstellung am 25.06.2012 seit dem 10.07.2012 wieder einzeln untergebracht und er infolgedessen nicht mehr beschwert ist. Nach § 115 Abs. 3 StVollzG spricht das Gericht zwar auf Antrag aus, dass die Maßnahme rechtswidrig gewesen ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Einen solchen Antrag hat der Betroffene aber nicht gestellt.
Der Antrag - sollte er ggf. von vornherein auf eine bloße Feststellung gerichtet gewesen sein - hat aber auch deswegen keinen Erfolg, weil er unbegründet ist.
Zutreffend geht die Strafvollstreckungskammer zwar davon aus, dass die gemeinschaftliche Unterbringung an sich gegen § 18 StVollzG verstieß, da einer der dort normierten Ausnahmefälle nicht vorlag und auch § 201 Nr. 3 StVollzG hier nicht eingreift.
Eine Hilfsbedürftigkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 S. 2 StVollzG liegt nicht vor. Eine solche Hilfsbedürftigkeit, die die Zusammenlegung mit anderen Gefangenen rechtfertigt, ist dann ge...