Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufungsbeschränkung. konkludente Zustimmung des Rechtsmittelgegners. negative Beweiskraft des Protokolls
Leitsatz (amtlich)
Zum Vorliegen einer konkludenten Zustimmung des Rechtsmittelgegners zu einer in der Berufungshauptverhandlung erfolgten Berufungsbeschränkung und zum Nachweis einer solchen konkludenten Zustimmung.
Normenkette
StPO §§ 303, 274
Verfahrensgang
LG Dortmund (Aktenzeichen 48 Ns 32/14) |
Tenor
Die Revision wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Die Kosten des Rechtsmittels sowie die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen trägt der Angeklagte (§ 473 Abs. 1 StPO).
Gründe
I.
Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts - Schöffengericht - Dortmund vom 01.07.2014, das seinem Verteidiger am 10.07.2014 zugestellt worden ist, wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt worden. Gegen dieses Urteil haben sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft Dortmund Berufung eingelegt, wobei die Staatsanwaltschaft Dortmund ihr zu Ungunsten des Angeklagten eingelegtes Rechtsmittel mit ihrer Berufungsbegründung vom 18.07.2014 auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat.
In der Berufungshauptverhandlung am 18.09.2014 erklärte ausweislich der Sitzungsniederschrift vom selben Tag der Verteidiger im Einverständnis mit dem Angeklagten, dass die Berufung auf die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs beschränkt werde. Diese Erklärung wurde vorgelesen und genehmigt. Die Staatsanwaltschaft Dortmund nahm in der Berufungshauptverhandlung die von ihr eingelegte Berufung zurück. Auch diese Erklärung wurde vorgelesen und genehmigt.
Die Strafkammer hat sowohl die Beschränkung hinsichtlich des Rechtsmittels des Angeklagten als auch die Zurücknahme der Berufung der Staatsanwaltschaft als wirksam erachtet und auf die Berufung des Angeklagten das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 01.07.2014 dahingehend abgeändert, dass die Freiheitsstrafe auf ein Jahr und vier Monate herabgesetzt wird.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der eine Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.
II.
Die Revision war entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft in Hamm gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen, da die Überprüfung des angefochtenen Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.
Anlass zur näheren Erörterung besteht nur hinsichtlich der Wirksamkeit der Beschränkung der Berufung des Angeklagten und der Zurücknahme der Berufung der Staatsanwaltschaft Dortmund.
Die im vorliegenden Verfahren nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist gemäß § 317 StPO erklärte Beschränkung der Berufung des Angeklagten beinhaltete nicht nur eine Konkretisierung des Rechtsmittels sondern eine teilweise Rücknahme der ursprünglich uneingeschränkt eingelegten Berufung (vgl. Senatsbeschluss vom 17.05.2005 - 1 Ss 62/05 - [...]; OLG Hamm, Beschluss vom 19.09.2006 - 3 Ss 230/06; OLG Koblenz NStZ-RR 2001, 247).
Der Verteidiger des Angeklagten hat die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch nach Beginn der Berufungshauptverhandlung erklärt. Nach § 303 S. 1 StPO kann, wenn die Entscheidung über das Rechtsmittel aufgrund mündlicher Verhandlung stattzufinden hat, die Zurücknahme des Rechtsmittels nach Beginn der Hauptverhandlung nur mit Zustimmung des Gegners erfolgen. Dies gilt auch für eine nachträgliche Beschränkung (Teilrücknahme) der Berufung (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Auflage, § 303 Rn. 1). Die Zurücknahme der Berufung der Staatsanwaltschaft Dortmund erfolgte ebenfalls nach Beginn der Berufungshauptverhandlung. Sowohl die Rechtsmittelbeschränkung des Angeklagten als auch die Zurücknahme der Berufung der Staatsanwaltschaft bedurften daher nach § 303 S. 1 StPO zu ihrer Wirksamkeit jeweils der Zustimmung des Rechtsmittelgegners.
Entsprechende ausdrückliche Zustimmungserklärungen des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft Dortmund und des Angeklagten bzw. seines Verteidigers sind in der Sitzungsniederschrift des Landgerichts Dortmund vom 18.09.2014 nicht enthalten. Die Zustimmungserklärung kann allerdings auch durch schlüssige Handlungen erfolgen. Hinsichtlich beider Fallgestaltungen gilt nicht die negative Beweiskraft des Hauptverhandlungsprotokolls nach § 274 StPO (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., § 303 Rn. 6 m. w. N.), so dass im Wege des Freibeweisverfahrens zu klären war, ob die erforderlichen Zustimmungen erfolgt sind.
Der Senat hat dienstliche Äußerungen des Vorsitzenden der 48. kleinen Strafkammer des Landgerichts Dortmund, des Vorsitzenden Richters am Landgericht XX, des an der Berufungshauptverhandlung mitwirkenden Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft Dortmund, Oberstaatsanwalt Dr. XX, und der damaligen Protokollführerin XX daz...