Tenor
Der Beteiligten zu 1) wird Wiedereinsetzung in die Antragsfrist des § 26 Abs. 1 EGGVG gewährt.
Der Beschluss des Amtsgerichts Siegen vom 4.05.2022 wird aufgehoben.
Die zuständige Nachlassrichterin wird angewiesen, den Antrag der Beteiligten zu 1) vom 10.02.2022 auf Gewährung von Akteneinsicht in die im Rubrum aufgeführten Nachlassakten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.
Der Gegenstandswert des Verfahrens wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Der Erblasser I. J. war Kommanditist der Beteiligten zu 1).
In § 18 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages der Beteiligten zu 1) ist geregelt, dass Gesellschafter durch letztwillige Verfügung über ihre Gesellschaftsbeteiligung verfügen können, aber stets nur einen Nachfolger in ihre Gesellschafterstellung benennen dürfen.
Die Beteiligte zu 2) hat mit notariell beurkundetem Antrag vom 2.11.2021 die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der sie als Alleinerbin nach dem am 00.00.0000 verstorbenen I. J., ihrem Ehemann, ausweist. Das Nachlassgericht hat den Erbschein unter dem 20.01.2022 antragsgemäß erteilt.
Mit Schriftsatz vom 10.02.2022 hat die Beteiligte zu 1) beantragt, ihr Einsicht in die Nachlassakten betreffend I. J. zu gewähren. Zur Begründung hat sie angeführt, ihr sei nach dem Tod ihres Kommanditisten mitgeteilt worden, dass die Beteiligte zu 2) die Erbschaft nach ihrem Ehemann I. J. ausgeschlagen habe. Mit Schreiben vom 3.11.2021 der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 2) sei ihr dann mitgeteilt worden, die Ausschlagungserklärung sei angefochten worden. Sie wolle nun prüfen, inwieweit sich die Ausschlagung und die Anfechtung der Ausschlagungserklärung auf die Erbenstellung ausgewirkt haben. Sie müsse die Beteiligte zu 2) nur dann als Kommanditisten akzeptieren, wenn diese ihren Ehemann tatsächlich beerbt habe.
Die Beteiligte zu 2) ist der Gewährung der beantragten Akteneinsicht entgegen getreten.
Mit Beschluss vom 4.05.2022 hat die Nachlassrichterin das Akteneinsichtsgesuch der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen. Die Beteiligte zu 1) sei keine Beteiligte in den Nachlassverfahren. Ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht nach § 13 Abs. 2 FamFG bestehe nicht. Der vom Nachlassgericht erteilte Erbschein vermittle ausreichende Kenntnis darüber, wer Erbe des I. J. sei.
In der Rechtsbehelfsbelehrung hat die Nachlassrichterin ausgeführt, die Entscheidung über die Nichtgewährung der Akteneinsicht stelle einen Justizverwaltungsakt dar, der mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 23 ff. EGGVG angreifbar sei. Weitere Ausführungen zum Rechtsmittelgericht und zur Rechtsmittelfrist enthält die Rechtsbehelfsbelehrung nicht.
Der Beschluss ist dem Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1) am 6.05.2022 zugestellt worden.
Mit am 31.05.2022 beim Nachlassgericht eingegangenen Schriftsatz vom 30.05.2022 hat die Beteiligte zu 1) "Antrag auf Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Beschlusses des Amtsgerichts Siegen vom 4.05.2022 durch das zuständige Oberlandesgericht" gestellt, hilfsweise Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt.
Mit Verfügung vom 9.06.2022 hat die Nachlassrichterin die Weiterleitung an das Oberlandesgericht verfügt. Die Verfügung ist am 13.06.2022 ausgeführt worden. Die den Schriftsatz vom 30.05.2022 enthaltene Akte 32 VI 1914/21 ist am 20.06.2022 beim Oberlandesgericht eingegangen.
Die Beteiligte zu 1) hat nach rechtlichem Hinweis des Senats die Wiedereinsetzung in die Antragsfrist des § 26 EGGVG beantragt.
II. Der Antrag nach § 23 EGGVG ist der statthafte Rechtsbehelf gegen den die Akteneinsicht verweigernden Beschluss des Nachlassgerichts.
Der Beteiligten zu 1) ist Wiedereinsetzung in die Antragsfrist des § 26 EGGVG zu gewähren. Der zulässige Antrag ist auch in der Sache begründet und führt unter Aufhebung des Beschlusses vom 4.05.2022 zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Nachlassgericht zur erneuten Bescheidung über den Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats.
1. Der Antrag des Beteiligten zu 1) auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG ist der statthafte Rechtsbehelf gegen die von der Nachlassrichterin nach § 13 Abs. 7 FamFG getroffene Entscheidung über die Nichtgewährung der Akteneinsicht für einen nicht am Verfahren beteiligten Dritten.
Es ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob die nach § 13 Abs. 7 FamFG von dem mit der Sache befassten Richter (bei Kollegialgerichten vom Vorsitzenden) zu treffende Entscheidung über ein Akteneinsichtsgesuch eines nicht am Verfahren beteiligten Dritten als im Verfahren nach § 23 EGGVG zu überprüfender Justizverwaltungsakt oder als im Beschwerdeverfahren nach §§ 58 ff. FamFG zu überprüfende Endentscheidung zu qualifizieren ist.
Die überwiegende Rechtsprechung geht davon aus, dass es sich bei der Entscheidung nach § 13 Abs. 7 FamFG um eine im Beschwerdeverfahren zu überprüfende Endentscheidung handelt (BayObLG, Beschluss vom 10.01.2023 - 102 VA 127/22 - zitiert nach juris; BayObLG, Beschluss vom ...